Infoblatt 10/2023

Abschied von der Großverbundplatte (GVP)

Mit Beginn der Sommerferien ab dem 06.07.2023 wurde zugleich das letzte größere zusammenhängende Gleisstück mit sog. Großverbundplatten (GVP) im Liniennetz der Magdeburger Straßenbahn (ca. 150 m Gleis im Bereich der Wendeschleife Sudenburg / Astonstraße) zurückgebaut und durch eine zeitgemäße Oberbaukonstruktion ersetzt. Damit endete in Magdeburg eine über 50-jährige Geschichte, die von sehr vielen Höhen und Tiefen begleitet war. Trotzdem sind noch einige kurze Gleisstücke mit GVP im Streckennetz und auch auf dem Betriebshof Nord anzutreffen. Im Einzelnen handelt es sich dabei um je eine komplette und eine halbe Platte im Bereich der Brücke über die Sülze am Salbker Platz in Richtung Stadt, je vier Platten im Bereich der Endstelle Sudenburg im Außengleis, welches in den 1980er Jahren etwas auseinander gezogen wurde um hier der damaligen Linie 11 Platz zum Fahrgastwechsel zu schaffen. Acht Platten liegen in der Schleife Neue Neustadt (Pettenkofer Straße) nach der Einfahrt aus Richtung Stadt bis zum Beginn des Gleisbogens. Ferner wurden vor einigen Jahren noch fünf guterhaltene halbe Platten im Bereich der Großen Diesdorfer Straße hinter der Arndtstraße in Richtung Stadt nochmals eingebaut, weil an dieser Stelle das Rahmengleis abgesackt war und mit diesen GVP eine bessere Lastenverteilung erreicht werden konnte.

Unserem Vereinsfreund Marcus Heßler wurde an dieser Stelle die besondere Ehre zuteil, am 05.07.2023 zu später Abendstunde den letzten planmäßigen Kurs der Linie 10 mit Triebwagen 1368 durch die alte Gleisschleife Sudenburg zu steuern, um hier auch noch einmal ein kurzes Erinnerungsfoto von „seiner“ Bahn für uns im Bild festzuhalten; dafür ein herzliches Dankeschön. Gleichsam gilt hier unser besonderer Dank unserem langjährigen Mitstreiter Andreas Gürtler, der so freundlich war, für uns einige überaus interessante historische und aktuelle Fakten zur Geschichte der GVP in Magdeburg zusammenzutragen, die wir für diesen Beitrag auszugsweise weitgehend wörtlich so übernommen habe. Doch schauen wir zunächst einmal bis in die frühen 1970er Jahre zurück: In der 1977er MVB-Chronik erscheint unter dem Thema „Gleisbau“, dass die GVP ab 1970 erstmals in Magdeburg eine Anwendung fanden. Dies bezog sich offensichtlich auf die damalige Grundsanierung der Lübecker Straße. In den Aufzeichnungen von Harald Jungbär für die AVN erscheint erstmals in der Nr. 21 vom 15.07.1971 ein Hinweis auf die GVP in Magdeburg. „Die mit Großplatten reparierte Straßenbahnstrecke nach Sudenburg konnte am 6.6.1971 wieder befahren werden.“ In der Folgezeit wurden bis etwa 1978 nahezu alle Strecken im Netz der MVB mit GVP ausgerüstet. Eine detaillierte Auflistung dieser Strecken kann an dieser Stelle auf Wunsch gern noch nachgereicht werden.

Damit marschierte Magdeburg seinerzeit im „Gleichschritt“ mit fast allen anderen größeren Straßenbahnbetrieben in der ehemaligen DDR, nachdem auch das SED-Politbüro unter dem damaligen Sekretär Hermann Axen per Parteibeschluss die GVP zur offiziellen Regelbauart für den DDR-Straßenbahngleisbau erklärt hatte. Dies war nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass der Gleiszustand damals vielerorts marode war, wobei auch der verstärkte Einsatz von Tatrawagen vor allem die größeren Betriebe vor erhebliche Herausforderungen stellte. Hier bot die GVP überaus kurze Bauzeiten bei einem sehr hohen Vorfertigungs- und Mechanisierungsgrad. Die Vorfertigung der schweren Gleistragwerke mit seitlich vorgespannten Rillenschienen erfolgte dabei zentral im Betonwerk Cossebaude, wobei die Verkehrsbetriebe dazu vorgefertigte Schienen (und später auch gebogene Schienen) sowie die örtlichen Einbaumaße dem Hersteller zur Verfügung stellen mussten. Die örtliche Gleisverlegung erfolgte dabei zunächst mit schwerer Krantechnik sowie später überwiegend mit sog. „Valmet“-Torladern, die die DDR ursprünglich für den Containerumschlag in größeren Bahnhöfen und Hafenanlagen aus dem sog. „nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet“ (NSW) beschafft hatte. Allerdings war man damals in der irrigen Annahme, dass sich die Fahrbahn aufgrund ihres Eigengewichtes und ihrer Starrheit (ähnlich wie eine Brücke) im Prinzip von selber tragen würde. So wurde vielerorts auf aufwändige Unterbausanierungen sowie auf den Einbau zusätzlicher Gleisentwässerungen verzichtet, was sich dann später durch unerwartete Setzungen des Untergrundes sowie durch Frostschäden bitter rächen sollte. Auch unser Lehrstuhl Eisenbahnbau an der Verkehrshochschule Dresden war damals in diese Prozesse involviert, um die GVP auf „Weisung von oben“ gewissermaßen „gesund zu beten“. Im Ergebnis dessen wurde dann das klassische Querschwellengleis im Schotteroberbau (mit oder ohne Gleiseindeckung) wieder zur üblichen Regelbauart. (CR)

AHN-Tagung 2023 in Halle und Naumburg

Zu unserer diesjährigen AHN-Tagung der Vorstände der befreundeten Nahverkehrsvereine war nach längerer Pause wieder einmal unser Bundeland Sachsen-Anhalt Gastgeber.

Wie zu jeder Tagung gab es auch 2023 wieder Grußworte von der Stadtverwaltung und dem Gastgeber. Es stellten sich die Vereine und die Verkehrsunternehmen mit ihrer bisher geleisteten Arbeit sowie mit gegenwärtigen Aufgaben und ihren zukünftigen Zielen vor. Stellvertretend sollen einige Inhalte von den interessanten Vorträgen etwas mehr unter die Lupe genommen werden.

Sören Jandt (Halle) berichtete über die Instandsetzung eines Fahrgestells des historischen Triebwagen 401 nach Entgleisung; wo das Fahrgestell 2016 stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Viele Versuche die Arbeiten in entsprechenden Fachfirmen aus der Fahrzeugindustrie  unter zu bekommen, scheiterten immer wieder. Im Vortrag erläuterte Sören die einzelnen Arbeitsgänge bei der Aufarbeitung der Fahrgestellteile, so dass das Fahrzeug erst 46 Stunden vor der geplanten Sonderfahrt für die Tagungsteilnehmer wieder ins Museum überführt werden konnte. In den verbleibenden Stunden mussten die Vereinsmitglieder, die nicht unmittelbar die Tagung vor Ort eingebunden waren, den jahrelangen Restschmutz am Fahrzeug beseitigen.

Andreas Plehn (Naumburg) berichtete über die Zukunft der Naumburger Straßenbahn. Leider führten die Variantenuntersuchungen zum Wiederaufbau der Ringbahn nicht zum beabsichtigten Ziel. Damit ist auch noch keine Entscheidung zu möglichen Gleisschleifen gefallen, um somit auch wieder einen uneingeschränkten Betrieb mit Einrichtungsfahrzeugen sowie auch mit Beiwagen zu ermöglichen. Dennoch soll die bestehende Infrastruktur weiter aufgewertet werden.

Carsten Tranz und Frank Waldenmaier beleuchten einige Aspekte zur Fahrschule für historische Fahrzeuge sowie zu Fragen mit dem Umgang zur BOStrab beim Einsatz derartiger Fahrzeuge im öffentlichen Linienverkehr. Da die Details in jeder Stadt und in jedem Land anders gelagert sind, kann dazu hier auch kein allgemeingültiges Rezept gegeben werden.

Ähnlich wie in Naumburg stehen die Entwicklungen gegenwärtig auch im sächsischen Bad Schandau, wobei Torsten Bauch recht ausführlich über die geplanten Streckenverlängerungen der dortigen Kirnitzschtalbahn berichtete. Untersucht wurden unter anderem die möglichen Streckenverlängerungen ins weitere Kirnitzschtal vom Lichtenhainer Wasserfall in Richtung Neumannmühle (Eingang Nationalpark) und insbesondere durch die Stadt Bad Schandau in Richtung Bahnhof. Hier nur einmal ein paar Stichpunkte für den letzten Teil: Soll die Streckenverlängerung durch enge Gassen, über den Marktplatz oder entlang des Elbufers gehen? Überall gibt es hier Vor- und Nachteile. Zur Überquerung der Elbe könnte nach einem Umbau die bestehende Eisenbahnbrücke genutzt werden um dann direkt den sog. Umweltbahnhof (DB-Bahnhof) zu erschließen.

Hier stehen allerdings noch viele ungeklärte Punkte: So werden hier neue EBO- und BO Strab-taugliche Zwei-System-Niederflurfahrzeuge benötigt, da es keine Elektrifizierung über die Elbbrücke geben soll. Ferner muss neben dem Umweltbahnhof ein neuer Betriebshof mit den erforderlichen Wartungseinrichtungen gebaut werden. Die Infrastruktur auf der Bestandsstrecke ist zu ertüchtigen. Die vorhandenen Straßenbahnen (auch die historischen Fahrzeuge) könnten nur noch zu bestimmten Anlässen auf der bestehenden Teilstrecke genutzt werden.

Was wird letztendlich daraus? Die Wirtschaftlichkeit steht dafür sehr in den Sternen, während die Straßenbahnfans den Erhalt ihrer “alten Bahn” aus Traditionsgründen und wegen ihrem Alleinstellungsmerkmal ausdrücklich wollen. Wer finanziert ein solches Projekt unter den derzeitigen Bedingungen oder kann man hier möglicherweise auch etwas „kleinere Brötchen“ backen, um die Kirnitzschtalbahn zumindest wieder etwas näher an die historische Mitte von Bad Schandau heran zu bringen?

Natürlich gab es auch wieder entsprechende Beiträge von unseren Straßenbahnfreunden aus dem benachbarten Ausland, wobei u. a. Andreas Messerli die Stiftung BERNMOBIL historique näher vorstellte.

Die nächste AHN-Tagung wird im April 2024 in Stuttgart stattfinden. (JP)

Hauptwerkstatt Herrenkrugstraße / Neues von den MVB

Lt. „Traminfo“ (letzter Stand vom 20.09.2023) wurden nachstehende Wagen aktuell als „abgestellt“ gemeldet: Tw. 1338, 1341, 1342 (NGT8D in HU), 1343, 1344, 1345, 1346, 1348, 1350, 1353, 1357 (NGT8D o. Angabe) sowie Atw. 756 (T4D-Schleppwagen n. Unfall). Tw. 1337 (NGT8D) ist nach erfolgter HU inzwischen wieder im Einsatz. Damit ist der Reparaturstand bei den Niederflurfahrzeugen nach wie vor extrem hoch, was vor allem der Tatsache geschuldet ist, dass etliche Fahrzeuge in den zurückliegenden Jahren weit aus mehr Kilometer gelaufen sind, als sie normalerweise innerhalb einer HU-Periode von acht Jahren laufen sollten. Wird die maximale Grenzlaufleistung von 500.000 km bereits vorher erreicht, so muss dieses Fahrzeug abgestellt und einer vorgezogenen HU unterzogen werden. Hinzu kommen dabei zum Teil erhebliche Verschleißerscheinungen bei den HU-fälligen Wagen der zweiten Lieferserie von 1999/2000, was teilweise Werkstattaufenthaltszeiten von bis zu fünf Monaten nach sich zieht. Auch die MVB-Mitarbeiterzeitung „Triebwagen“ hatte in ihrer August-Ausgabe bereits ausführlich über dieses Thema berichtet. Das erste Baumusterfahrzeug der neuen Niederflurgeneration soll nach aktuellen Informationen vsl. im Spätsommer 2024 in Magdeburg vorgestellt werden, bevor hier mit einer umfangreichen Erprobungsphase begonnen werden kann. Mit dem Ende der großen Schulferien wurden mit dem 16.08.2023 die zwischenzeitlichen Gleis-erneuerungsmaßnahmen im Bereich Westringbrücke und Schleife Sudenburg beendet und zeitgleich die bereits im Frühjahr 2023 begonnenen Bauarbeiten der Städtischen Werke in der Halleschen Straße fortgesetzt. so dass die betroffenen Straßenbahnlinien inzwischen wieder wie vor den großen Schulferien verkehren.

Terminvorschau 2024

Die Terminvorschau für 2023 ist online! Ihr findet sie wie gewohnt im Menü unter >> Termine.

Änderungen sind natürlich wie immer vorbehalten.


Das Infoblatt erscheint im Auftrag des Vorstandes der Magdeburger Straßenbahnfreunde e. V.

Textbeiträge / Druck und Gestaltung: C. Rudhard (CR), J. Puchert (JP), M. Menz (MM).

Unser nächstes Infoblatt erscheint vsl. im Monat Oktober 2022.