Dampfbahn zum Herrenkrug

Vor 120 Jahren fuhren die Magdeburger zum Kaffeetrinken ins Grüne

Von Dieter H. Michel

Am 14. Juli waren es genau 120 Jahre, dass die Magdeburger mit einer Bahn in den Herrenkrugpark fahren konnten. Die Magdeburger Trambahn Actien-Gesellschaft (MTAG) hatte 1886 die Strecke von Friedrichstadt (heute Brückfeld) hinaus „int Jriene“, wie der Magdeburger sagt, gebaut.

Bis zu zwei vollbesetzte Beiwagen zog eine der vier kleinen Dampflokomotiven vom Heumarkt zum Herrenkrug. Foto: Archiv Michel

Statt eine weitere Linie der seit 1877 in Magdeburg rollenden Pferdebahn zu bauen übernahm damals die MTAG die 50-jährigen Erfahrungen der Eisenbahn. Dampflokomotiven mit hohem Schornstein wurden beschafft, die man vor die Wagen der Pferdebahn spannte. Zur Jungfernfahrt startete zischend und prustend eine zweiachsige Dampfmaschine mit zwei kleinen Wägelchen. Die mehr als drei Kilometer lange Strecke war für einen reinen Ausflugsverkehr vorgesehen. Im Depot gegenüber der heutigen Hauptwerkstatt in der Herrenkrugstraße waren vier kleine Loks und acht Personenwagen untergestellt.

„Am 14. Juli 1886 um 2 Uhr mittags“, wie es in der amtlichen Pressebekanntmachung hieß, stand der erste mit Girlanden geschmückte Zug am Sandplatz im Osten der Stadt abfahrbereit, etwa 100 Meter vom Heumarkt entfernt. Im 15- Minuten-Takt sollten die Magdeburger in die grüne Lunge der Stadt befördert werden.

Doch in den kleinen Pferdebahnwagen fanden nur jeweils 25 Fahrgäste Platz. Schon am ersten Wochenende geriet der Fahrplan vollends aus den Fugen. Ein ungewöhnlicher Ansturm setzte auf das neue Verkehrsmittel ein, dessen Fahrpreis 25 Pfennige für eine Fahrt betrug. Die Magdeburgische Zeitung druckte die Meinung der vielen ab, die an der Endstelle Sandplatz vergeblich auf einen Sitzplatz gewartet hatten. „Die Eröffnungspartie hat die Trambahn verloren. Es wird sich nun zeigen müssen, ob die Gesellschaft im Stande sein wird, in kurzer Zeit sich in den Augen der großen Masse zu rehabilitieren“.

Die Trambahn – Gesellschaft reagierte sofort. Sie beschaffte vermutlich aus Berlin acht große vierachsige Beiwagen mit offenen Plattformen. Jeder Wagen bot 36 Sitz- und 17 Stehplätze. Bei starkem Ausflugsverkehr schafften es die kleinen Loks sogar, zwei solcher Wagen voll besetzt schnell ans Ziel zu bringen. Die Vierachser waren die Wagen mit der größten Platzkapazität bei der Trambahn, die Magdeburger nannten sie wegen der längs angeordneten Sitzplätze scherzhaft „Langholz- oder Kegelbahnwagen“. Oftmals kam der Fahrplan durcheinander, weil am Depot Kohle nachgeschaufelt werden musste.

An der Endstelle Herrenkrug erinnert die große hölzerne Wartehalle noch an die Dampfbahnzeit. Damals gab es hier lediglich zwei Stichgleise mit Überfahrten, die Wendeschleife wurde erst 1909 gebaut. Die Wartehalle im Fachwerkstil blieb erhalten und wurde von den Verkehrsbetrieben zur Bundesgartenschau liebevoll restauriert.

Die überaus beliebte Dampfbahn zuckelte fast 14 Jahre auf ihrer Strecke. Im Juli 1899 verkürzte man sie bis zum Depot in der Herrenkrugstraße, weil die elektrische Straßenbahn bis „Stadt Loburg“ weiter geführt worden war. Ab 22. März 1900 wurde auch zum Herrenkrug wie überall in der Stadt elektrisch gefahren, die Dampfbahn verschwand für immer aus dem Stadtbild.

Quelle: Magdeburger Volksstimme