Lübecker Straße

Fahren und Bauen“ auf der Lübecker Straße

von Marc Beindorf

Schon lange gab es so eine Idee mal eine Baustelle der Straßenbahn umzusetzen. Die Frage war nur: Was soll betrieblich so interessant sein an einer Baustelle? Wenn die Gleise repariert werden fährt da ja eigentlich nichts, es sei denn die Gleise sind gewechselt und es werden Restarbeiten erledigt.

Nun bewegen wir uns ja eigentlich in den 70er Jahren, da wurde auch viel gebaut, die sogenannte Großverbundplatte (GVP) eroberte die langen Ausfallstraßen der Stadt und war in Punkto industrielle Bauweise und Verlegungseffizienz das „Nonplusultra“. Glaubte man jedenfalls. Nur hatte man, wie immer in der DDR, die vier Hauptfeinde des Sozialismus (also die Jahreszeiten) nicht bedacht und die GVP eigentlich nur für gutes Wetter entwickelt. Regen und Schnee gehörten nicht dazu und Frost war schon gar kein zu berücksichtigender Punkt. Am Ende zählte auch das Argument nicht mehr, daß die Liegezeit einer GVP wesentlich kürzer ist, als die Liegezeit jeden anders gebauten Gleiskörpers. Die längste Liegezeit kam schließlich auf 28 Jahre.

Am Ende der 70er Jahre kam man also in Magdeburg zu der Einsicht, daß das System GVP sich überlebt hatte. Und so ersann man in der Chefetage des Verkehrshauses einen Plan einen wetterfesten Gleiskörper auszumachen und diesen dann in einem Kraftakt (von dem die Stadt tw. noch heute profitiert) möglichst komplett auszuwechseln. Wichtig: Es durfte keine Unterbrechung des laufenden Verkehrs geben. Und so wurde in Magdeburg das Prinzip „Fahren und Bauen“ angewendet. Auf der Lübecker Straße wurde 1988 bei diesem Prinzip auf einem sogenannten Notgleis gefahren, welches auf der Westseite der Lübecker Straße verlegt war. Es gab aber auch die Variante, ein Richtungsgleis zu bauen und auf dem anderen eingleisig zu fahren, beispielsweise bei der „Rekonstruktion“ der Straße der DSF (heute Schönebecker Straße).

Der Modellzustand stellt in Ausschnitten die Lübecker Straße im Bereich zwischen Nicolaiplatz und Haldensleber Straße dar. Alle Häuser sind nach umfangreichen und tw. sehr komplizierten Recherchen selbst gebaut worden.

Die Baustelle stellt die damalige Erstellung der sogenannten Querschwellenbauweise mit Plattenabdeckung in verschiedenen Bauzuständen dar, für das zunächst nach Aushub und nötigen Leitungsverlegungen und -anpassungen eine neue Gleistrasse angelegt werden mußte, begrenzt durch Randsteine. In diese Trasse wird dann der Frostschutz-, Sicker- und Entwässerungsbesatz aufgeschichtet und verdichtet, der schließlich mit Schotter und dann mit dem Gleisrost bestehend aus Betonschwellen und Rillenschienen belegt wird. Wenn die Gleise dann noch ordentlich gestopft sind, erfolgt die Abdeckung mit Betonplatten, um den Bahnkörper überfahrbar zu machen. Ist der Gleiskörper verlegt, kann der Verkehr wieder aufgenommen werden, während die Straße noch an den neuen Bahnkörper angepaßt und ggf. ebenfalls ausgebessert wird.

Diese Bauzustände nahmen wesentlich mehr Zeit in Kauf, als uns das heute bewußt ist. Was haben wir auf dem Breiten Weg über die dreimonatige Sperrung und die damit verbundenen Umwegfahrten geschimpft, wo zuletzt ein ähnlicher Gleiskörper auf etwas kürzerer Strecke verlegt wurde. Aber zum Trost: Zu DDR-Zeiten hätte die Baustelle mindestens ein Jahr gedauert, aber es wäre wahrscheinlich ein Notgleis auf dem Radweg (der eigentlich keiner ist) im Nordabschnitt verlegt worden.