Infoblatt 10/2021

Gothaer 3-Wagen-Zug nach Cracau, Höhe Heumarkt

Als Marc Beindorf am 3. September 2021 diesen Gothaer Dreiwagenzug auf der Straßenbahnlinie 4 nach Cracau in der Turmschanzenstraße in Höhe vom ehemaligen Bahnübergang fotografierte, schien es fast so, als wären die längst vergangenen 1970er Jahre noch einmal für einen Tag in die Wirklichkeit zurückgekehrt.

Ein Zeitalter ging zu Ende

Als Marc Beindorf am 3. September 2021 diesen Gothaer Dreiwagenzug auf der Straßenbahnlinie 4 nach Cracau in der Turmschanzenstraße in Höhe vom ehemaligen Bahnübergang fotografierte, schien es fast so, als wären die längst vergangenen 1970er Jahre noch einmal für einen Tag in die Wirklichkeit zurückgekehrt.

Bereits im Oktober 1968 war in der damaligen Tagespresse zu lesen, dass mit dem bevorstehenden Fahrplanwechsel zum 1. November d. J. auf der Linie 4 erstmals Dreiwagenzüge zum Einsatz kommen sollten, um somit dem gestiegenen Fahrgastaufkommen auf der Ost-West-Achse Rechnung zu tragen. Damit endete hier zugleich der für viele Jahre typische Einsatz der legendären Hechtwagen, die es fortan auf andere Linien verschlug, wobei sie zuletzt nur noch für Verstärker- und Sonderdienste zum Einsatz kamen. Mit dem erwähnten Fahrplanwechsel übernahmen hier zunächst die zuvor überwiegend auf der Linie 2 eingesetzten Gothaer Garnituren der Typenreihe T2-62/B2-62 das Zepter, wobei im Gegenzug die sieben baugleichen Schweriner Leihgarnituren von der Linie 12 auf die Linie 2 überwechselten. Auch nach der Übernahme zahlreicher neuer Tatrawagen und der bereits 1969 erfolgten Abgabe der Schweriner Züge an ihren ursprünglich geplanten Bestimmungsort blieb die Line 4 bis zum Frühjahr 1978 fast 10 Jahre lang das Haupteinsatzgebiet der klassischen „Gothaer“, wobei sich ältere Magdeburger noch heute an die unverwechselbaren Geräusche beim Durchfahren von Kurven sowie beim automatischen Öffnen und Schließen der Außentüren erinnern. Mit der betriebsbedingten Abstellung der letzten noch einsatzfähigen Garnitur 407II+523+520 endete am 2. Juni 1978 zugleich der planmäßige Einsatz von zweiachsigen Fahrzeugen in der Elbestadt, womit Magdeburg ferner die erste Stadt in der damaligen DDR war, die einen typenreinen Tatrabetrieb für sich verbuchen konnte.

Doch schauen wir zunächst einmal etwas weiter in die Vergangenheit zurück: Bereits vor 137 Jahren, im Jahr 1884, überquerten erstmals Pferdebahnen der damaligen Trambahngesellschaft die Zoll- und die Lange Brücke (Anna-Ebert-Brücke) in Richtung Friedrichstadt sowie über einen Abzweig an der Mittelstraße zum Großen Werder. Diese beiden Linien waren zugleich auch die ersten, die bereits im Juli 1899 auf den elektrischen Betrieb umgestellt wurden. Im November 1928 erreichte schließlich die lang ersehnte Straßenbahn über einen Abzweig an der Turmschanzenstraße auch den Vorort Cracau, bevor 1934 mit der Eröffnung der Brücke der Magdeburger Pioniere über die Alte Elbe der Nordrückenzug und somit auch der Magdeburger Brückenring in Gänze geschlossen wurde. Nachdem der II. Weltkrieg nur noch eine unendliche Trümmer-wüste sowie etliche gesprengte Elbebrücken hinterlassen hatte, war an einen durchgehenden Straßenbahnbetrieb in die ostelbischen Stadtteile vorerst noch nicht wieder zu denken. Erst am 29. April 1946 verkehrten mit der Wiedereröffnung der behelfsmäßig wiederhergestellten Strombrücke erstmals auch wieder planmäßig Straßenbahnen über den Johannisberg nach Cracau sowie nach Friedrichstadt (Brückfeld). Nachdem bereits 1950 auch der Nordbrückenzug zunächst eingleisig (und ab 1961 auch wieder zweigleisig) befahrbar war, konnte schließlich im Oktober 1965 eine neue Strombrücke dem Betrieb übergeben werden. Damit endete zugleich der Steilstreckenbetrieb im Bereich des Johannisbergs und die damit verbundene Anhängebeschränkung auf maximal nur einen mitgeführten Beiwagen pro Zug, womit der Brückenring erstmals auch mit Dreiwagenzügen durchgängig befahrbar war.

Eine Verlängerung des neuen Strombrückenzuges, verbunden mit einem Ersatz der beiden steinernen Bogenbrücken über die Zoll- und die Alte Elbe, stand bereits zu DDR-Zeiten mehrmals auf der Agenda, wurde jedoch bis auf einige Baufeldfreimachungen nie wirklich in Angriff genommen. Inzwischen geht es hier (nun endlich) mit Siebenmeilenstiefeln voran, wobei MVB und engagierte Straßenbahnfreunde keine Mühe scheuten, den „letzten Brückentag“ über die Zoll- und Anna-Ebert-Brücke sowie über die Turmschanzenstraße nach 137 (bzw. 93) Jahren am 3. September 2021 noch einmal mit zahlreichen historischen Sonder- und Linienfahrten aktiv zu begleiten, wofür auch wir an dieser Stelle allen Beteiligten ein herzliches Dankeschön aussprechen möchten. Die Geschichte des heute noch erhaltenen letzten Gothaer Dreiwagenzuges 413+519+509II ist dabei auch sehr eng mit der 50-jährigen Geschichte unseres Vereins verbunden; (siehe dazu auch unser nebenstehender Beitrag „Ein Straßenbahndepot erwacht“). (CR). 

50 Jahre Magdeburger Straßenbahnfreunde (6) – Ein Straßenbahndepot erwacht

Eine rasante Zunahme der individuellen Mobilität sowie ein drastisches Wegbrechen langjähriger Industriestandorte und Arbeitsplätze sorgten auch in Magdeburg bereits Anfang der 1990er Jahre für einen deutlichen Rückgang der Fahrgastzahlen im ÖPNV, womit der Verkehrsbetrieb logischerweise auch zwingende Bedarfsanpassungen im bestehenden Liniennetz der Straßenbahn vornehmen musste. Somit wurde auch der bisherige Straßenbahnbetriebshof Sudenburg bereits 1992 als Einsatzdepot für den regulären Betriebseinsatz geschlossen. Während die große Wagenhalle fortan nur noch für das Abstellen nicht mehr benötigter Tatrawagen genutzt wurde, bestand für die bisher vornehmlich von den Fahr- und Werkstattpersonalen genutzten Räumlichkeiten im Bereich der sog. „Schmiede“ vorerst keine weitere Verwendung mehr. Dies betraf gleichermaßen auch den bis zur Wende genutzten FDJ-Jugendclub im darunter befindlichen Keller. Dies alles war für uns keineswegs ein unbekanntes Terrain, hatte wir doch bereits 1980 die Nutzungsrechte für das rechte Hallengleis in der sog. „Schmiede“ erhalten, um dort entsprechende Kapazitäten für die Erhaltung historischer Fahrzeuge zu schaffen.

Da unsere gleichsam schon seit 1980 auf dem Betriebshof Nord genutzten Holz-Bungalows wegen der abgängigen Bausubstanz keine weitere Nutzung auf Dauer mehr zuließen, war es daher naheliegend, als Verein komplett in den Betriebshof Sudenburg umzuziehen, wobei sich auch der Verkehrsbetrieb von Anfang an unserem Anliegen gegenüber sehr aufgeschlossen zeigte. In einer ersten Ausbaustufe entstand hier zunächst in Eigenleistung ein repräsentativer Ausstellungsraum, wobei wir bei den Bauarbeiten unter dem Fußboden auch ein Originalgleis der ehemaligen Pferdebahn entdeckt hatten, welches dann auch als echtes Schaustück in den Besucherbereich einbezogen wurde. An besonderen Tagen, wie z. Bsp. zum alljährlichen Sudenburger Straßenfest, erwachte dabei ein zuletzt kaum noch wahrgenommenes Straßenbahndepot plötzlich zu neuem Leben und wurde somit zugleich zu einem neuen Mittelpunkt im Herzen der historisch gewachsenen Einkaufs- und Bummelmeile der Halberstädter Straße. Dabei machte es auch sehr schnell die Runde, dass das Depot Sudenburg, bereits im Jahre 1877 eröffnet, inzwischen das älteste noch in Betrieb befindliche Straßenbahndepot Deutschlands war. Der Anfang für ein zukünftiges Magdeburger Straßenbahnmuseum war somit gemacht.

In den Folgejahren konzentrierten sich unsere Aktivitäten dabei vordergründig auf die Werterhaltung und Instandsetzung der historischen Bausubstanz und Infrastruktur, was auch schon bald Teile der großen Wagenhalle einschloss, wobei von unseren Mitgliedern ungezählte Arbeitsstunden ehrenamtlich in der Freizeit geleistet wurden. Parallel dazu verstärkten wir auch unsere Aktivitäten für den weiteren Aufbau unserer historischen Fahrzeugsammlung, wobei zunächst 1995/96 die beiden ältesten noch vorhandenen Tatrawagen Tw. 1001 und Bw. 2002 im Rahmen von Hauptuntersuchungen weitgehend wieder in den betriebsfähigen Anlieferungszustand von 1969 zurückversetzt werden konnten. Durch unseren Verein maßgeblich auf den Weg gebrachte ABM-Maßnahmen und Sponsoring-Leistungen (u. a. Stadtsparkasse und Lotto-Toto GmbH) konnte zunächst 1997 der hauptuntersuchte und umfassend grunderneuerte Tw. 124II gemeinsam mit dem zugehörigen Bw. 352III (vormals Bw. 345III) wieder in den historischen Fahrbetrieb zurückkehren. 1998 folgte auch der Tw. 23II (vormals Atw. 707), während die beiden historischen Wagen Tw. 138 und Bw. 300 nahezu zeitgleich zunächst eine umfassende Aufarbeitung im ehemaligen Reichsbahnausbesserung Salbke erhielten, um pünktlich zum 100-jährigen Jubiläum des elektrischen Betriebes im Juli 1999 nach jahrzehntelanger Abstellung erstmals wieder zum Einsatz zu gelangen. Am gleichen Tag erlebte dabei auch der historische Gothaer Zug mit Tw. 413 und Bw. 519 seine zweite Jungfernfahrt, nachdem beide Fahrzeuge bereits 1993 von Mitgliedern unseres Vereins nach einem 14-jährigen Gastspiel in Dessau wieder nach Magdeburg zurückgeholt worden waren. Seit 2002 ergänzt inzwischen auch der Bw. 509II diesen Zug, der durch Mitarbeiter der Hauptwerkstatt Herrenkrugstraße und ABM-Kräfte als Umbau aus dem ehemaligen Atw. 709II (ex Tw. 408II) entstand, welcher von uns bereits frühzeitig als möglicher Ersatzteilspender für einen geplanten historischen Gothaer Zug sichergestellt worden war.

Durch eine Reihe sehr unangenehmer Begleitumstände sollten jedoch hauptamtliche MVB-Mitarbeiter und ehrenamtliche Straßenbahnenthusiasten ab 1998 fortan getrennte Wege gehen, womit zugleich auch das Kapitel „Sudenburg“ für uns ein überraschendes Ende fand. (CR)

Vereinsgeburtstag am 4. Dezember 2021 

Aus Anlass unseres 50-jährigen Vereinsjubiläums laden wir alle Mitglieder sowie auch unsere Familienangehörigen und uns nahe stehende Freunde recht herzlich für Sonnabend, den 04.12.2021 um 16:00 Uhr zu einem gemütlichen Vereinsabend ein, um zugleich das für uns alle sehr durchwachsene Jahr 2021 gemeinsam ausklingen zu lassen. Details zur Örtlichkeit erfahren alle Interessierten auf Nachfrage beim Vorstand.

Für den Nachmittag planen wir zudem für alle Beteiligten ggf. noch ein kleines Begleitprogramm. Nähere Informationen dazu erfolgen noch auf unserer Mitgliederversammlung am 08.10.2021 bzw. gesondert per E-Mail. Für die erforderlichen Feinabstimmungen erbitten wir Eure / Ihre verbindliche Teilnahmebestätigung mit Angabe der vsl. Personenzahl bis Samstag, den 20.11.2021 an Michael Menz. (CR)

Fahrt nach Brakel

Wie bereits mitgeteilt, planen wir gemeinsam mit den Eisenbahnfreunden zur „Modellbundesbahn“ nach Brakel zu fahren. Die Fahrt soll am 30.10.2021 stattfinden. Unentschlossene, die vielleicht noch mitkommen möchten, melden sich bitte kurzfristig bei Torsten Ehrhard oder bei Michael Menz. Hier der Link zur Modellbundesbahn Brakel: https://www.modellbundesbahn.de. Die Fahrt soll mit dem Zug um 06:33 Uhr ab MD Hbf starten. Die Rückreise soll gegen 17:00 Uhr beginnen. Der Eintritt kostet 8,00 € für Erwachsende. Es gib auch 10 % Mengenrabatt. Die Kosten für die Eisenbahnfahrt liegen bei etwa 45,00 € für Hin und Rückfahrt. (MM)

Vereinsobjekt Walbecker Straße / weitere Veranstaltungstermine

Unsere Arbeitstage in unserem Vereinsobjekt Walbecker Straße 54 finden wieder regelmäßig montags ab 16.00 Uhr sowie sonnabends ab 14.30 Uhr statt. Änderungen bei Veranstaltungen sowie an Feiertagen sind vorbehalten. Über die Termine für das kommende Jahr werden wir zu gegebener Zeit informieren. Bei erforderlichen kurzfristigen Abstimmungen oder Rückfragen bitten wir uns auch weiterhin unter den nachstehenden Telefonnummern oder auch per E-Mail zu kontaktieren. (CR)