Infoblatt 08/2020

Rathaus Magdeburg

Altes Rathaus Magdeburg

Ein geheimnisvoller „Eisenhaken“ am Rathaus

Im Straßenpflaster, auf unbebauten Flächen sowie auch an Mauern und Häuserfassaden sind bis heute noch so mache Relikte aus längst vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten zu finden, die oftmals von den normalen Straßenpassanten kaum bemerkt, alle Wirren der Zeiten scheinbar unbeschadet überstanden haben. Dazu gehört z. Bsp. eine historische Wasserpumpe auf der Grünanlage unmittelbar hinter dem ersten Achtgeschosser neben der Johanniskirche, die hier vor ca. 20 Jahren auf einem uralten Brunnenschacht wieder aufgesetzt wurde, der sich einst im Bürgersteig der Stephansbrücke befand, die hier bis zur Zerstörung im Jahre 1945 die östliche Begrenzung vom Johanniskirchhof bildete. Für den Spaziergänger, der heute auf dem Elbhang oberhalb vom Petriförder den beschaulichen freien Blick über die Elbe genießen kann, ist es dabei kaum vorstellbar, dass noch bis zum II. Weltkrieg an dieser Stelle die Einsatzwagen der Straßenbahnlinie 6 zum Herrenkrug bereitgestellt wurden.

Weitaus bekannter ist dagegen ein sog. „Eisenhaken“, der sich am Nordgiebel vom alten Rathaus befindet und der als besonderes Relikt aus früheren Zeiten auch schon mehrfach in der Magdeburger Tagespresse Erwähnung fand. Unter dem Titel „Magdeburger Geheimnisse – 50 spannende Geschichten aus der Elbestadt“ haben Kerstin Hohlfeld und Eva-Maria Bast bereits vor einigen Jahren ein Buch herausgebracht, welches kürzlich in einer zweiten Auflage erscheinen ist, wobei die beiden Autorinnen an Hand solcher oftmals kaum wahrgenommenen Relikte den interessierten Leser zu einer historischen Spurensuche animieren wollen. Dazu gehört u. a. auch dieser geheimnisvolle Haken, bei dem es sich im Klartext um eine Wandrosette der elektrischen Straßenbahn handelt; (siehe auch „Volksstimme“ vom 22.07.2020).

Auf unserem heutigen Titelfoto aus dem Jahre 1938, dass kürzlich über die Facebook-Gruppe „Magdeburg – ein verlorenes Stadtbild“ geteilt wurde, hat soeben ein Straßenbahnzug der Linie 6 mit einem ehemaligen Maximumtriebwagen der Reihe 36II-55II und einem Vierachsbeiwagen der Reihe 273-277 das Rathaus umrundet, um sogleich seine Fahrt über die Jakobstraße in Richtung Herrenkrug fortzusetzen. Beim genauen Hinschauen ist dabei am Rathausgiebel zwischen den beiden großen Fenstern etwa in Höhe Fensterunterkante auch unsere historische Wandrosette zu erkennen, die bis zum heutigen Tage alle Zeiten überdauert hat.

Im Zusammenhang mit einer längerfristigen Gleisbaumaßnahme in der Leipziger Straße verkehrte die Straßenbahnlinie 3 von Diesdorf kommend im Frühjahr 1963 wechselweise nach Buckau sowie zum Rathaus, womit die dortige große Umfahrung auch letztmalig im Liniendienst befahren wurde. Auch im Buch „Drei Drittel von Hundert“ findet sich diesbezüglich auf der Seite 137 ein Farbfoto, welches den LOWA-Triebwagen 1III an der Endstelle Diesdorf mit der Zielbeschilderung „Rathaus“ zeigt, wobei hier allerdings als Aufnahmedatum das Jahr 1962 angegeben wird. Bereits wenige Tage nach diesem Umleitungsverkehr wurden mit Beginn der Baumaßnahme für die neue Gleiskreuzung „Stadt Prag“ die Oberleitungen an dieser Stelle gekappt, womit auch unsere Wandrosette dort ihre Funktion verlor. 

Solche Wandrosetten gibt es allerdings auch noch an vielen anderen Stellen im Stadtgebiet sowie nicht zuletzt auch im benachbarten Schönebeck, wobei man mit etwas Glück zwischen Buckau, Lemsdorf und Ottersleben auch noch einige Relikte vom früheren O-Bus-Betrieb finden kann. Auch war noch bis vor kurze Zeit unmittelbar am Buckauer Bahnhof ein alter Oberleitungsmast zu finden, der möglicherweise auch bereits vor dem O-Bus noch die elektrische Straßenbahn erlebt hatte, war doch bereits bis zum II. Weltkrieg die Straßenbahnstrecke von der Schönebecker Straße bis zu den Bahnhofsbrücken zumindest als Betriebsstrecke schon einmal voll betriebsfähig. Sollten wir Euch (bzw. Sie) liebe Leser jetzt neugierig gemacht haben: Eine historische Spurensuche lohnt sich auf jeden Fall. (CR)

Altes neues Liniennetz

Bereits seit einigen Wochen und Monaten ist es nun verbindlich: Am Donnerstag, dem 27. August d. J. werden mit dem Ende der großen Schulferien nach fast 3,5 Jahren Totalsperrung erstmals wieder Straßenbahnen die Strecke unter den Bahnhofsbrücken befahren, allerdings vorerst mit einer Schleifenfahrt über den W.-Brandt-Platz vor dem Hauptbahnhof, wobei auch der Adelheidring aktuell noch nicht an das neue Gleisviereck Damaschkeplatz angebunden werden kann. Dies bedeutet, dass zunächst alle betroffenen Linien in Richtung Stadtfeld über die Olvenstedter Straße fahren müssen. Auch eine große Eröffnungsparty wird es an dieser Stelle nicht geben, obwohl eine solche in Anbetracht einer so langen Totalsperrung, verbunden mit erheblichen mehrjährigen Beeinträchtigungen für die Fahrgäste, eigentlich angemessen gewesen wäre, womit wieder einmal „Corona“ als Argument herhalten muss. Alternativ dazu gibt es am 29.August lediglich eine öffentliche Präsentation der aus Berlin übernommenen KT4D, verbunden mit einigen Schnupperfahrten für interessierte Magdeburger und ihre Gäste.

Glücklicherweise müssen sich jedoch die Fahrgäste dieses Mal nicht mit einem komplett umgekrempelten neuen Liniennetz abfinden, kehrt doch mit einigen geringen Abweichungen das alte Liniennetz zurück, wie es bereits bis zum Beginn der umfangreichen Baumaßnahmen im Jahre 2015 galt. Pläne dahingehend, bereits jetzt das angestrebte „Straßenbahnzielnetz 2020+“ schrittweise umzusetzen, scheinen damit vorerst vom Tisch zu sein. (CR) 

Ex-Berliner KT4D kommen in Fahrt (Titel-Bild)

Am 18.06.2020 war die erste ex Berliner KT4D-Traktion 1292+1289 erstmals zu Probe- und Personalschulungsfahrten im Stadtgebiet von Magdeburg im Einsatz. Stefan Naedler nahm diese Einheit an diesem Tag in der Gleisschleife Alte Neustadt auf, die seitdem regelmäßig auch auf anderen Strecken zu beobachten ist. Der fehlende (sonst eigentlich obligatorische) rote Zierstreifen im Schürzenbereich sowie die fehlenden Betriebsnummern an den Stirn- und Heckseiten sind dabei etwas gewöhnungsbedürftig. Los gehen soll es im aktiven Liniendienst am 27.08.2020 mit dem erwähnten neuen Fahrplan nach Beendigung der großen Schulferien. Da die Fahrzeuge nicht niederflurig sind, sollen sie daher vornehmlich auf den Linien 3 und 5 zum Einsatz kommen, die überwiegend auf Strecken verkehren, wo sie sich ihren Linienweg mit anderen Linien teilen. (CR)

Ex-Berliner KT4D in Magdeburg

Ex-Berliner KT4D in Magdeburg

Ein paar Worte des Vorstandes

Es gab in den letzten Wochen etwas Unruhe im Verein. Der Auslöser war ein Hilferuf zweier unserer Mitglieder, welche durch die an sie gestellte Aufgabe, Modelle für den Verkauf zu fertigen, überlastet sind. In einer nachfolgenden recht umfangreichen E-Mailkette wurde dann einerseits erklärt, warum es nötig ist, Fremdaufträge anzunehmen, andererseits aber auch, dass dies mit den Interessen und Pflichten vieler Mitglieder kollidiert.
Aus diesem Grund setzte sich der Vorstand am 25. Juli zusammen und diskutierte dieses Problem. Der Hauptpunkt dieser Sitzung war die Frage, wie der Verein finanziert werden kann, wenn nicht mehr im gewohntem Umfang Kleinserienmodelle gefertigt werden. Wir hatten zuletzt Auftragszahlen, über die sich die große Waggonbauindustrie beim Vorbild sicherlich sehr gefreut hätte. 

Einer der Lösungspunkte ist es, die Preise für die von uns gefertigten Kleinserienmodelle etwas zu erhöhen. Die notwendige Handarbeit muss auch von den Kunden etwas höher honoriert werden, ohne dabei jedoch gleich in Gier unsererseits auszuarten. Hierbei ist die Rede von einer Größenordnung von erst einmal 10 bis 15%, verbunden mit der Hoffnung, durch das Fertigen von weniger Modellen pro Jahr ein vergleichbares Einnahmeergebnis zu erzielen. Auch wurde beschlossen, dass geprüft werden solle, ob nicht einige dieser Modelle als Bausatz (ggf. auch als vorlackierte Variante mit Klebefolien oder Nassschiebebildern) angeboten werden können. Dadurch soll unser Arbeitsaufwand reduziert werden, um dennoch das Angebot aufrechterhalten werden können. Jedoch ist es nicht möglich alle Modelle so anzubieten. Es wurde betont, dass das Angebot an regulären Bausätze, wie zum Beispiel von Herrmann & Partner, davon nicht betroffen ist, da der Aufwand dafür ja nur gering wäre und es der Markt auch nicht hergeben würde. 

Für die Mitglieder wird es sicherlich von besonderem Interesse sein, dass zur nächsten Jahreshauptversammlung der Vorstand eine Erhöhung der Mitgliedsbeiträge zur Diskussion stellen wird. Über die Höhe muss dort dann gesprochen werden. Als erste Zahlen (noch ohne genaue Prognoseberechnungen) wurden hier 120 € für Vollzahler bzw. 60 € für Halbzahler ins Gespräch gebracht. Derzeit sind wir dabei, genauere Haushaltspläne mit verschiedenen Werten zu erstellen. Diese sollen dann im Februar 2021 bei der Hauptversammlung vorgestellt werden und somit als Abstimmungshilfe dienen. (MG)

Beka hört auf

Für uns Modellbauer traf in den letzten Wochen die bedauerliche Nachricht ein,  dass Bernd Kasten als Inhaber der Fa. Beka in Dresden den Betrieb eingestellt hat. Wir haben nochmals versucht, einige Modelle zu ergattern. Leider war die Ausbeute für uns nur gering. Beka ist bekannt für sein umfangreiches Angebot an Dresdner Straßenbahnmodellen, als deren Ableger sich unser kleiner Hecht sowie der Beiwagen der Serie 231II bis 240II als Magdeburger Varianten für uns von besonderem Interesse waren. Auch fertigte er zahlreiche Busmodelle, die auch als MVB-Varianten immer wieder gern gekauft wurden. Hoffen wir gemeinsam, dass sich vielleicht doch noch ein Nachfolger finden wird. (MG)

Der neue Heumarkt gedeiht

Wer in der letzten Zeit mal in den Vereinsräumen war, wird bemerkt haben, dass dort ein neues Teil im Entstehen ist. Dies ist aber nur die halbe Wahrheit. In Wirklichkeit handelt es sich um einen Teilersatzbau des Heumarktes. Korrekterweise eigentlich als Gleisdreieck Brückstraße / Turmschanzenstraße bezeichnet, lag doch der richtige Heumarkt ein wenig weiter östlich an der Brückstraße und wurde von uns nie als Modell realisiert. Während das Modulteil VEB Taxi unangetastet blieb, wurden vom großen Teil sämtliche Gebäude und das „Kanonengeländer“ vorsichtig geborgen. Ein neuer jetzt nicht durchhängender Rahmen wurde gefertigt und darauf endlich in annähernd dem Vorbild entsprechender Lage die Gleise verlegt. Nach Cracau wird jetzt nach rechts abgebogen während in Richtung Käseglocke sich über die Straßenkreuzung geschlängelt wird. Wegen des Modulregelquerschnittes gibt es zwar immer noch den einen oder anderen Kompromiss, aber wir können damit leben. Zwischenzeitlich wurden die Bordsteine gesetzt und die Straßen gepflastert. Die Häuser wurden immer wieder zur Probe aufgestellt und sie passen zum Glück noch. Wenn es die Zeit zulässt, soll als nächstes der Kohlenhof gekorkt und gepflastert werden. Irgendwann dieses Jahr folgt auch noch die Fahrleitung und viele Gebäude, aber auch die Laternen an der Straße, bekommen eine Beleuchtung. (MG)

Ein Hecht fährt nicht gern allein

Hoppla, gab es denn die Danziger Beiwagen auch in Dresden? Die 1942 ausschließlich nach Magdeburg gelieferten Beiwagen Nr. 250II-259II besaßen für Zweiachserfahrzeuge eine ungewöhnlich hohe Anzahl von 30 Sitzplätzen sowie als Besonderheit jeweils zwei Einachsdrehgestelle bzw. Lenkachsen mit einem sehr großen Abstand von 4,50 m zueinander. Auch in den Kurven boten sie dadurch eine große Laufruhe. Sie waren ursprünglich für Warschau vorgesehen und wurden vor der Lieferung nach Magdeburg beim Hersteller Domansky in Danzig im Aussehen äußerlich den Hechtwagen angepasst. In der Regel ausschließlich als Einzelbeiwagen hinter den Hechtwagen, aber auch hinter anderen Zweiachsern verwendet, kamen diese Fahrzeuge in den letzten Betriebsjahren auch häufig paarweise hinter Magdeburger Standardtriebwagen sowie hinter Aufbau- und LOWA-Triebwagen zum Einsatz, wo sie im Dreiwagenzugverband für den Betrachter ein sehr imposantes Bild boten. 

Ohne Frage hätten diese Beiwagen auch im sächsischen „Elbflorenz“ hinter den dortigen großen und kleinen Hechten eine sehr gute Figur gemacht, wie unser Foto von Falko Neumann aus Dresden beweist, der sich mit den hier abgebildeten Zug-Kombinationen einen kleinen persönlichen Traum erfüllt hat. Verbunden mit der Übersendung dieses Fotos war auch ein kleines Dankeschön an unseren Verein, wobei die beiden Beiwagenmodelle ihre ursprüngliche Herkunft aus den etwas kleineren Magdeburger Straßenbahnwerkstätten auch nicht leugnen können bzw. wollen. Schön, wenn auch andere Straßenbahnfreunde an unseren Eigenkreationen Gefallen finden, zumal ja auch die einschlägigen Modellbahnhersteller nicht alle individuellen Wünsche erfüllen können. Nicht zuletzt freuen wir uns auch immer wieder über interessante Zuschriften von unseren Lesern sowie von uns nahestehenden Straßenbahnfreunden. (CR)

Beka-Hechtwagenmodelle

Straßenbahnen und Stadtbahnen in Deutschland – Band 20 Sachsen-Anhalt

Wie bereits berichtet, ist der Band 20 „Straßenbahnen und Stadtbahnen in Deutschland“ vom EK Verlag Freiburg mit den Betrieben Magdeburg, Halle, Dessau, Naumburg und Halberstadt als Neuerscheinung vsl. für den Monat September angekündigt worden. Nach der MVB-Chronik von 1977, dem DDR-Straßenbahnarchiv von 1986 und dem Klaus-Günther-Buch von 1999 folgt nun nach längerer Zeit wieder ein vergleichbares Buch und Nachschlagewerk, das in keinem Bücherschrank fehlen sollte, wobei ich mir sicher bin, dass auch die beteiligten Co-Autoren der anderen 4 Betriebe, die allesamt „alte Hasen“ aus der Straßenbahnszene „Ost“ sind, gemeinsam  mit dem Fachautor Michael Kochems ihr Bestes dazu getan haben. Mit insgesamt 79 Druckseiten und ca. 70 Fotos fällt der Magdeburg-Teil dabei auch wesentlich umfangreicher aus, als im DDR-Straßenbahnarchiv. Bestellungen (vsl. zu einem besonderen Vorzugspreis für unseren Verein) sind bitte bis zum 28. August an christoph.heike.md@gmail.com zu richten. (CR)

Termine
Die nächsten Termine finden Sie hier: Termine 2020

Autoren
CR – Christoph Rudhard
MG – Michael Götze

Layout, Druck & Gestaltung
Michael Menz