Infoblatt 04/2021
Nr. 124 „Niesky“ 1985 zum Eisenbahnjubiläum in Magdeburg
Den Kopf nicht in den Sand stecken
Wie kürzlich der Magdeburger Tagespresse zu entnehmen war, haben allein die Sportvereine in Sachsen-Anhalt innerhalb eines Jahres fast 11.000 Mitglieder verloren. Dabei sind Sportvereine nur ein Teil der breitgefächerten Vereinslandschaft in Deutschland, wobei die pandemiebedingten Folgen gleichermaßen auch Kleintierzüchtervereine, Natur-, Kultur- und Heimatvereine, Technik-, Feuerwehr- oder Modellbauvereine sowie auch Traditions- und Museumsvereine der Wirtschafts-, Industrie- und Verkehrsgeschichte betreffen, über die in den Medien in diesem Zusammenhang jedoch kaum berichtet wird. Hier ist seit einem Jahr fast überall das Vereinsleben nahezu vollständig zusammengebrochen, wenngleich Objekt-, Betriebs- und Verwaltungskosten auch weiterhin in nahezu gleicher Größenordnung anfallen. Auch in normalen Zeiten können diese Kosten von kleineren Vereinen allein über die Mitgliedsbeiträge heute oftmals kaum noch gedeckt werden, womit sie hier neben Spenden vor allem auf finanzielle Erlöse aus der Teilnahme an Veranstaltungen und Ausstellungen angewiesen sind. Mit dem Wegbrechen öffentlicher Veranstaltungen sind an dieser Stelle zugleich auch die Möglichkeiten zur Wahrnehmung im öffentlichen Leben sowie für eine gezielte Werbung nach außen hin kaum noch gegeben. Dies alles hindert jedoch den Staat nicht daran, zu allem Überfluss die Vereine neuerdings auch noch mit einer Zwangsabgabe zur Finanzierung des sog. „Transparenzregisters“ zur Kasse zu bitten, um somit der potentiellen Gefahr einer möglichen Geldwäsche über die Konten gemeinnütziger Vereinigungen entgegen zu treten.
Bei alledem sollten wir jetzt jedoch nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern uns stattdessen auf unsere langjährigen Traditionen und Tugenden besinnen. Die Magdeburger Straßenbahnfreunde waren schon immer ein „Stehaufmännchen“, welches mit der Kraft und Leidenschaft seiner Mitglieder auch schon so manch andere Krise erfolgreich überstanden hat. Erinnert sei hier nur an den Wendeherbst und an den Zerfall der ehemaligen DDR 1989/90, an das Wegbrechen unserer Beziehungen zu den Magdeburger Verkehrsbetrieben 1998/99 oder an das verheerende Hochwasser 2013, wo es auch immer wieder „eine Zeit danach“ gegeben hat. Hier sollte uns nicht zuletzt auch unser bevorstehendes 50-jähriges Vereinsjubiläum die nötige Kraft für Mut und Zuversicht geben, welches wir im Dezember auch gebührend feiern wollen.
Wichtig ist jetzt vor allem, dass wir den internen Dialog nicht abreißen lassen und dass sich möglichst jeder von uns auch von zu Hause aus aktiv für die Interessen unserer Vereinsarbeit einbringen sollte. So ist es überaus erfreulich, dass zwei unserer aktiven Modellbauer in den letzten Tagen wieder mehrere Straßenbahnmodelle nach konkreten Magdeburger Vorbildern mit entsprechenden Werbelackierungen fertigstellen konnten, die inzwischen für einen angemessenen Obolus den Besitzer gewechselt haben, darunter zwei NGT8D sowie eine T6A2/B6A2-Garnitur. Dafür ein herzliches Dankeschön, denn gerade solche Dinge bauen uns in diesen Zeiten auch immer wieder etwas auf. -Euer Redakteur-
Titelbild
Anlässlich der Lokschau zum Eisenbahnjubiläum 1985 in Magdeburg wurde auch Triebwagen 124II (vormals Büchereiwagen) als historisches Fahrzeug in Betrieb genommen und erstmals für Rundfahrten eingesetzt, wobei die Linienschilder mit der „31“ von einer früheren Magdeburger Berufsverkehrslinie stammten und fortan auch als Linienkennung für den historischen Straßenbahnverkehr in unserer Elbestadt verwendet wurden. Helmut Wiesener, Norbert Gilardoni und Peter Raasch (v.l.n.r. – hier auf dem Alten Markt) haben die zurückliegenden fünf Jahrzehnte unseres Vereins maßgeblich mit geprägt. Unsere Reihe zum Thema „50 Jahre Magdeburger Straßenbahnfreunde“ wollen wir damit an dieser Stelle fortsetzen. -CR / Foto Jürgen Puchert-
50 Jahre Magdeburger Straßenbahnfreunde (3) – Oldtimer rücken ins Rampenlicht
Wie schon eingangs erwähnt, gab es überall in der ehemaligen DDR durchaus auch moderate und zugängliche staatliche Leiter, die dem Ansinnen ehrenamtlicher Eisen-bahn- und Straßenbahnfreunde wohlwollend gegenüberstanden und dabei ungeachtet aller staatlichen Auflagen und Zwänge auch einmal das eine oder das andere möglich machten. Dazu gehörte ohne Frage auch unser damaliger MVB-Direktor Herbert Kunze, den ich auch persönlich stets als einen sehr sachlichen, kompetenten und konstruktiven Gesprächspartner kennengelernt habe.
Bereits 1980 waren uns auf dem Straßenbahnbetriebshof Nord mehrere Holzbungalows zur Nachnutzung angeboten wurden, die dort zuvor als provisorischer Personal- und Sozialtrakt genutzt worden waren, da es in der ersten Ausbaustufe der neuen Betriebsstätte zunächst noch kein Sozial- und Rangierleitergebäude gegeben hatte. Wenig später konnten wir auch im Erdgeschoss des neuen Sozialgebäude einen ständigen Ausstellungsraum beziehen, wo erstmals auch unsere Modellstraßenbahnanlage dauerhaft aufgebaut und auch weiter komplettiert werden konnte. Dies alles war gegenüber den zuvor auf dem Betriebshof Stadtfeld genutzten Räumlichkeiten ein Quantensprung und wäre ohne unsere guten Beziehungen zur MVB-Chefetage sowie ohne das Verhandlungsgeschick von unserem langjährigen Vorsitzenden Peter Raasch wohl nie zustande gekommen.
1980 gab es auch einen ersten (wenn auch vorerst nur kleinen) Lichtblick für unsere historischen Straßenbahnwagen. Hier bestand seinerzeit jedoch das grundlegende Problem, dass jeder Meter Hallengleis für die Abwicklung der täglichen Betriebsabläufe zwingend benötigt wurde. Somit nahmen dauerhaft hinterstellte Sonderfahrzeuge hier nur unnötig Platz weg, was zugleich mit Kosten ohne eine erkennbare Wertschöpfung verbunden war. So konnte sich Direktor Kunze zunächst auch nur für drei der insgesamt fünf bereits 1977 öffentlich präsentierten Fahrzeuge dauerhaft erwärmen. Mit dem Nieskyer Triebwagen 124II und dem dazu passenden „Langholz“- (Längssitz-) Beiwagen 345III (heute wieder 352III) hatten zwei echte Klassiker der Magdeburger Straßenbahn die Wirren der Zeit überstanden. Da sie jedoch noch bis zum Januar 1976 im aktiven Liniendienst gestanden hatten, waren sie aus der Sicht des Direktors einfach noch zu „neuzeitlich“, um auch als Oldtimer „durchgehen“ zu können. Die historische Garnitur 138+300 (Baujahr 1914/15) war dagegen schon eher vermittelbar, auch wenn die Witterungsverhältnisse beiden Fahrzeugen durch die mehrjährige Abstellung im Freien bereits arg zugesetzt hatten und eine Lösung vorerst noch nicht in Sichtweite war.
Für den Hechttriebwagen 70II, der schon allein wegen seiner besonderen Bauart als erhaltenswürdig eingestuft wurde, bot sich dagegen eine kurzfristige Lösung auf dem Betriebshof Sudenburg an. Hier gab es in der sog. „Schmiede“ ein Wartungsgleis mit Arbeitsgrube und einem verschließbaren Hallentor, welches wegen Profileinschränkungen für Tatrawagen jedoch nicht nutzbar war. Bereits im September 1980 konnte hier unter fachlicher Anleitung durch unseren langjährigen Vereinsfreund Harald Jungbär mit ersten Instandhaltungsarbeiten an den mechanischen und elektrischen Ausrüstungen begonnen werden. Im Rahmen der Eröffnungsfeierlichkeiten der Neubaustrecke nach Olvenstedt kam der Hechtwagen dann am 27. April 1984 erstmals nach elf Jahren Unterbrechung wieder zu seinem ersten Einsatz, wobei es ab August des gleichen Jahres auch regelmäßige öffentliche Rundfahrten auf der Route Alter Markt – Olvenstedt – Herrenkrug gab. Leider fanden unsere Aktivitäten jedoch bereits nach wenigen Wochen ein jähes Ende, nachdem es auf der eingleisigen Strecke zum Herrenkrug zu einem bedauerlichen Bahnbetriebsunfall mit nachhaltigen Personen- und Sachschäden gekommen war. Jeder andere Straßenbahndirektor hätte hier wahrscheinlich sofort die Aussonderung eines solchen Unfallfahrzeugs und ein Verbot weiterer historischer Fahrten angewiesen, nicht jedoch ein Herbert Kunze, der mir in einem persönlichen Gespräch zu verstehen gab, dass er sehr wohl wissen würde, wie eng die Straßenbahnfreunde in allen Teilen der Republik inzwischen untereinander vernetzt wären. Hier wollte er auch nicht als der „böse Buhmann“ da stehen, dem man dann nachgesagt hätte, für die Traditions- und Erbepflege nichts übrig zu haben. Da die Arbeiten in der Hauptwerkstatt jedoch einige Zeit in Anspruch nehmen würden, wurde uns stattdessen ein Rückbau des zwischenzeitlich als Büchereitriebwagen genutzten Tw. 124II für den Personenverkehr in Aussicht gestellt, der mit Unterstützung unserer Mitglieder auch pünktlich zur großen Lokschau im Rahmen des Jubiläums „40 Jahre Eisenbahnen in Volkeshand“ (eigentlich „150 Jahre deutsche Eisenbahnen“) erfolgreich umgesetzt werden konnte; (siehe Titelbild).
Mit den 21. Arbeiterfestspielen und dem zeitnahen Umzug der Magdeburger „Kugelblitze“ in ihre neue Spielstätte an der Leiterstraße kam im Juni 1986 neben dem Tw. 124II und dem inzwischen wiederhergestellten Tw. 70II kurzzeitig auch der schon lange abgestellte Beiwagen 345III im Rahmen einer Sonderzulassung noch einmal zu Fahrgastehren, den wir bereits im Oktober 1981 vor dem drohenden Schneidbrenner in der Sudenburger Schmiede heimlich versteckt hatten. Mehr dazu in unserer nächsten Ausgabe. -Christoph-
Ein Leckerbissen für alle Freunde rechteckiger Tatra´s
Eigentlich sollte bereits am 21. Februar 2021 der Einsatz von Tatrawagen in Berlin endgültig enden. Dies war für den dortigen Denkmalpflegeverein Nahverkehr e. V. (DVN) Anlass zu einer kleinen, aber sehr umfangreichen und lesenswerten Broschüre unter den Titel „Die Tatrawagen bei den Berliner Verkehrsbetrieben“ (ISBN 978-3-00-068116-5, Schutzgebühr 7,00 €, Erstauflage 1.500 Stück, 56 Farbseiten mit zahlreichen Fotos). Ohne Frage war die Hauptstadt mit insgesamt 582 Kurzgelenkwagen der Typen KT4D und KT4Dt sowie mit 118 Trieb- und 64 Beiwagen der Typenreihe T6A2/B6A2 bis weit in die Nachwendezeit hinein eine absolute Hochburg der rechteckigen Tatra´s. Neben den ersten Erprobungen auf Prager Gleisen und dem jahrzehntelangen Betriebseinsatz nehmen dabei auch Umbauten und Modernisierungen sowie Umnummerierungen, Farbgebungen und Beschriftungen bis hin zur Abgabe an andere Verkehrsbetriebe im In- und Ausland (u. a. auch nach Magdeburg) einen sehr breiten Raum ein. (CR)
Arbeitstage in unserem Vereinsobjekt Walbecker Straße 54 / öffentliche Vereinsabende
Unsere planmäßigen Arbeitstage in unserem Vereinsobjekt Walbecker Straße sowie unsere regelmäßigen öffentlichen Vereinsabende bei Leo´s hoffen wir zum frühestmöglichen Zeitpunkt wieder aufnehmen zu können, sofern dies die geltenden Sicherheitsbestimmungen sowie die damit verbundenen Öffnungen von Gaststätten und anderen Einrichtungen ermöglichen. Sowie wir diesbezüglich neue Informationen haben, werden wir alle Mitglieder rechtzeitig informieren. Bei erforderlichen kurzfristigen Abstimmungen oder Rückfragen bitten wir uns auch weiterhin unter den nachstehenden Telefonnummern oder auch per E-Mail zu kontaktieren. (CR)