Fürst-Leopold-Straße– schon 1912 gab es hier einen „Kreisel“
Von Dieter H. Michel
Vor einigen Wochen wurde der neue Kreisverkehr an der Planckstraße eingeweiht. Eine ähnliche Verkehrsführung gab es an dem Kreuzungspunkt schon vor fast 100 Jahren. Ein historisches Foto belegt das:
Die Interpretation des Fotos hat durchaus ihre Berechtigung. Die ersten Kreisverkehre gab es bereits am Beginn des 20. Jahrhunderts. So wurde in New York 1904 ein Kreisverkehr eingerichtet. 1912 gab es offenbar auch an der Fürst-Leopold-Straße (heute Harnackstraße) eine Art von Kreisverkehr.
Auf unserem Bild ist eine Straßenbahn zu sehen, die dem Fotografen zufolge etwa um 1912 auf der Fürst-Leopold-Straße, der heutigen Harnackstraße, fährt und nach links in die Planckstraße einbiegen wird. Sie ist von ihrer Endstelle in Buckau gekommen und nun auf dem Weg über die Gabelung, den heutigen Hasselbachplatz, in Richtung Neue Neustadt unterwegs.
Ziel war seit der Betriebseröffnung im Jahre 1877 das Depot an der Kastanienstraße, wo zu dieser Zeit auch die aus Sudenburg kommenden Wagen der Linie 1 endeten.
Auf den ersten Blick fällt auf: Schon vor fast 100 Jahren war an dieser Kreuzung der heutigen Planck- mit der Seume- und Harnackstraße die Frühform eines Kreisverkehrs angelegt. Die Bahn fuhr damals noch am Rand des mit Rasen und Blumenbeeten verzierten Mittelstreifens der Allee und umrundete teilweise auch den „Kreisel“.
Der große Wohnblock an der Ecke steht auf dem Bild allein, bis hin zur heutigen Geißlerstraße fehlen noch die später errichteten großen Mietshäuser. Auch an die Washingtoner Kopie des Standbildes des Generals von Steuben war damals nicht zu denken.
Dafür ist am oberen Bildrand aber noch das schmuckvolle Tor des Fort Stern zu sehen, das als Symbol der einst stärksten Festung Preußens später abgetragen und am Nordrand des Domplatzes neben der Nikolaikirche wieder aufgebaut wurde. Vor einiger Zeit wurde der Wiederaufbau an der Nord-Ost-Seite des Domplatzes gestartet.
Interessantes ist auch an der Straßenbahn zu erkennen: An dem offensichtlich zur Jahrhundertwende in der Hamburger Waggonbauanstalt Fülkenried gebauten Triebwagen ist als Stromabnehmer noch die „Rolle an der langen Stange“ zu sehen. Erst 1928 wurden die Wagen aller Magdeburger Straßenbahnen auf Scherenstromabnehmer umgebaut.
Damit entfiel am Buckauer Wasserwerk das Wechseln eines zweiten Stromabnehmers der Vorortbahn, wenn sie von Westerhüsen in die Stadtmitte fuhren.
Der Anhänger 243 der Bahn ist übrigens einer der vierundsechzig zwischen 1899 und 1900 aus Pferdebahnwagen der Magdeburger Straßen-Eisenbahn-Gesellschaft umgebauten Fahrzeuge.
Der Wagen hatte hölzerne Längssitze für 14 Personen und 12 Stehplätze. Zwischen beiden Wagen mit offenen Perrons war ein Scherengitter angebracht, das ein Überklettern der Kupplung zwischen beiden Wagen verhinderte. Bei den jetzt im Straßenbild auftauchenden umgebauten Berliner Tatra-Anhängern, die hinter den Niederflurwagen rollen, ist ebenfalls ein derartiger Übersteigschutz angebracht.
Besagter historischer Kreisverkehr auf dem Foto fand vermutlich Anfang der 1920er Jahre sein Ende. Zu dieser Zeit wurde der Gleisanschluss über die Sternbrücke geschaffen.
Am 15. Juni 1922 erreichte der erste Wagen der Linie 7 den Rotehornpark. Später fuhr hier die Linie 10 zwischen Neue Neustadt und dem Rotehorn.
Quelle Volksstimme 03.09.2011