Infoblatt 10/2024

125 Jahre elektrisch durch Magdeburg (3)

„Eine kleine Mini-Maus … lief ums Rathaus …“

Dieser bekannte Abzählreim ist sicherlich noch vielen von uns aus längst vergangenen Kindertagen bekannt. Auch in der 125-jährigen Geschichte unserer „Elektrischen“ ging es immerhin 64 Jahre lang rund ums Rathaus, genau gesagt vom September 1900 bis zum Frühsommer 1963.

Am 02. September 1900 war dazu in der „Volksstimme“ zu lesen: „Um das leidige Rangieren der Straßenbahnwagen der Herrenkruglinie auf dem Johanniskirchhof aus der Welt zu schaffen, ist jetzt ein direktes Anschlußgeleis vom Alten Markt um das Altstädtische Rathaus, Jakobsstraße, nach der Haltestelle auf dem Johanniskirchhofe gelegt worden. Die vom Herrenkrug ankommenden Wagen fahren direkt vor die Haltestelle auf dem Johanniskirchhofe. Die voraussichtlich am Sonnabend stattfindenden Probefahrten werden ergeben, ob die dort vorhandenen Kurven der Länge der Herrenkrugwagen keine Schwierigkeiten entgegensetzen.“ Aus heutiger Sicht kann angenommen werden, dass die angekündigten Probefahrten offensichtlich ohne nennenswerte Probleme verliefen, finden sich doch in den weiteren Ausgaben der „Volksstimme“, die uns auch noch heute weitgehend vollumfänglich vorliegen und die ein langjähriger Mitstreiter unseres Vereins dankenswerter Weise sehr intensiv ausgewertet hat, keine weiteren Hinweise mehr auf die Inbetriebnahme dieser Blockumfahrung, die an dieser Stelle die bisherige Kuppelendstelle auf dem Johanniskirchhof ersetzte. Unser heutiges Titelfoto, welches Neerod Koch schon vor einiger Zeit auf den stadtgeschichtlichen Seiten im Facebook geteilt hat, zeigt hier die Betriebssituation kurz nach der Inbetriebnahme dieser Gleisanlage, wobei der gewählte Fotostandort weitgehend den Fotos von der Jungfernfahrt der ersten „Elektrischen“ am 17. Juli 1899 entspricht. Rechts unten ist dabei die Zugangstreppe zur Johanniskirche mit dem bekannten Lutherdenkmal zu erkennen, wobei die Gleise vor dem sog. „Neuen Rathaus“ auch weiterhin noch auf den Johanniskirchhof führen.

An dem hier abgebildeten Triebwagen aus der sog. Schnellläuferserie (Reihe 1 bis 13) ist dabei oben über den offenen Stehperrons deutlich das LInlensignal mit einem grünen Kreuz auf weißem Grund zu erkennen, welches schon wenig später durch eine grüne „6“ auf weißem Grund ersetzt wurde; (siehe auch unser Titelfoto in Ausgabe 08/2024). “Standesgemäß“ läuft dahinter einer der bekannten Vierachsbeiwagen der ehemaligen Herrenkrug-Dampfbahn (Reihe 265 bis 272), die unser langjähriger Straßenbahnfreund Helmut Wiesener immer als sog. „Kegelbahnwagen“ bezeichnet hatte. Auch mein verstorbener Vater hatte diese Wagen als heran wachsender Jugendlicher noch persönlich im aktiven Planeinsatz erlebt – zuletzt auf der Linie 2 in Richtung Buckau – und erzählte dabei oft von den großen Petroleum-Lampen, die sich noch bis zum Schluss auf den offenen Stehperrons dieser Wagen befanden und schon damals auf ihn recht altmodisch wirkten. Die Ausmusterung dieser Wagen dürfte bereits kurz nach der Deutschen Theaterausstellung 1927 erfolgt sein, wo dann auch alle Zweiachsbeiwagen aus dem Bestand der ehemaligen Pferdebahnen schrittweise aus dem Bestand ausschieden, war doch die umfassende Modernisierung des Wagenparks zu diesem Zeitpunkt bereits sehr weit fortgeschritten.

Das Jahr 1934 brachte erneut umfangreiche Veränderungen an den Gleisen und Weichen rund um das Rathaus, so dass fortan die dortige Umfahrung auch für Fahrten von und nach der Jakobstraße genutzt werden konnte. Diese Erweiterung war notwendig geworden, um künftig die Straßenbahnlinie 6 vom Rathaus über die Jakobstraße und die neu eröffnete Brücke der Magdeburger Pioniere (später Brücke des Friedens) zum Jerichower Platz und weiter zum Herrenkrug zu führen. Damit entfiel für die beliebte Ausflugslinie zugleich der Steilstreckenbetrieb über den Johannisberg, was vor allem bei Großveranstaltungen im Herrenkrug (wie z. Bsp. beim Pferderennen) von großem Vorteil war. Die bekannte Fotoserie von Max Rieck aus dem Jahr 1941 liefert uns dazu einen sehr umfassenden Einblick, wobei auch die alte Gleisanlage auf dem Johanniskirchhof nach wie vor für die Bereitstellung von Einsatzwagen genutzt wurde. Nach den schweren Kriegszerstörungen und dem Einmarsch der Alliierten dürfte die Rathausumfahrung am 10. Mai 1946 wieder in Betrieb gegangen sein, nachdem bereits am 30. April 1946 die Strombrücke für die Straßenbahn wieder eröffnet werden konnte. Fortan verkehrte hier wieder die Straßenbahnlinie 6, wenn auch zunächst wieder über die Strombrücke und auch nur bis zum Margarethenhof, da die sowjetische Besatzungsmacht damals großen Wert darauf legte, ihr zentrales Hauptquartier so schnell wie möglich wieder an die Straßenbahn anzubinden. Auch der Johanniskirchhof dürfte damals wieder an die Straßenbahn angebunden worden sein, wobei diesbezüglich auch im MVB-Archiv ein Foto von einem der beiden Arbeitstriebwagen 502II bzw. 512II (ex Bergen / Norwegen) zu finden ist, der damals dort bei der Durchführung von Enttrümmerungsarbeiten eingesetzt wurde.

Mit der Verlängerung der Straßenbahnlinie 6 vom Rathaus bis zum Hauptbahnhof (ca. 1947) diente die Rathausumfahrung fortan nur noch als reine Betriebsstrecke. Im Zusammenhang mit einer längerfristigen Gleisbaumaßnahme auf der Leipziger Straße verkehrte die Straßenbahnlinie 3 von Diesdorf kommend im Frühjahr 1963 wechselweise nach Buckau sowie auch nochmals zum Rathaus, womit die dortige große Umfahrung auch letztmalig im Liniendienst befahren wurde; (Quelle: Foto MVB-Archiv; Zielbeschilderung: “Rathaus“). Und so fuhr dann auch noch einmal eine kleine heranwachsende „Mini-Maus“ im Alter von neun Jahren mit einem solchen Zug rund ums Rathaus. Neugierige leuchtende Kinderaugen, ein überaus treusorgender und straßenbahnbegeisterter Papa sowie ein freundlicher Schaffer, der alledem  nicht widerstehen konnte, hatten damals diese einmalige Rundfahrt möglich gemacht, obwohl es ja eigentlich Fahrgästen streng untersagt war, rein betrieblich genutzte Wendeschleifen zu durchfahren. Bereits wenige Tage später wurden dann hier die Oberleitungen und Gleise für immer gekappt. – Christoph –

Rückbau mit schwerem Gerät

Vor wenigen Wochen, am 13. Juli 2024, wurden die ersten Überbauten der alten Eisenbahnbrücken im Bereich der Halleschen Straße mit schwerem Gerät zurückgebaut, die ähnlich wie die alten Überbauten am Kölner Platz noch aus der Anfangszeit der Magdeburger Eisenbahn vom Ende des 19. Jahrhunderts stammten. Die Aufnahme wurde uns freundlicherweise von Axel Barby übermittelt; dafür vielen herzlichen Dank. (CR)

Neues von den MVB

Am 18.09.2024 traf NGT10D Nr. 1402 vom neuen Fahrzeugtyp „Flexity“ aus dem Hause Alstom auf einem Tieflader aus dem Herstellerwerk in Bautzen kommend, auf dem MVB-Betriebshof Nord ein und wurde bereits am Sonnabend, dem 21.09.2024 bei einem Festakt auf dem Willy-Brandt-Platz vor dem Magdeburger Hauptbahnhof erstmals einer breiten Öffentlichkeit präsentiert. Bei strahlendem hochsommerlichen Wetter ließen es sich dabei hunderte Magdeburger und auch auswärtige Besucher nicht nehmen, um mit Blitzlichtgewitter und Feuerwerk die sog. „Neue“ in der Elbestadt offiziell zu begrüßen, die bei allen Beteiligen einen sehr guten Eindruck hinterließ. Interessanterweise befuhr der neue Versuchsträger die Strecke vom Betriebshof Nord bis zum Hauptbahnhof (und auch wieder zurück) bereits mit eigener Kraft, wobei auch diese Überführungsfahrten entlang der Strecke von zahlreichen Fotografen und Schaulustigen begleitet wurden. 

Für Insider der Materie ist dieser Fahrzeugtyp vom Grundaufbau her mit seiner neuen schräg verlaufenden Frontpartie (auch als sog. „Handy-Design“ bezeichnet), in unterschiedlichen Modifikationen in modualer Bauweise keineswegs neu, ist er doch u. a. bereits in Essen / Mülheim (Ruhrbahn), in Duisburg oder in Nizza (Frankreich) inzwischen erfolgreich im Einsatz und überzeugt dort vor allem durch seine sehr gelungene Aufteilung von sog. Mulitifunktionsabteilen und reinen Sitzabteilen, was vor allem Fahrgästen mit eingeschränkter Mobilität sowie mit Rollstühlen, Rollatoren, Kinderwagen oder schweren Traglasten entgegen kommt. Alles weitere bleibt an dieser Stelle zunächst abzuwarten, wobei sich NGT Nr. 1401 aktuell noch beim Hersteller in Bautzen befindet. 

Nach Abschluss der HU wurde im August NGT8D Nr. 1348 wieder im Einsatz beobachtet. (CR)

Terminvorschau 2024 & 2025

Unsere aktuell geplanten Termine und Ausstellungen für das Jahr 2024 & 2025 finden Sie in unserer Terminvorschau.


Das Infoblatt erscheint im Auftrag des Vorstandes der Magdeburger Straßenbahnfreunde e. V.

Textbeiträge / Druck und Gestaltung: C. Rudhard (CR), M. Menz (MM).