Infoblatt 06/2024

125 Jahre elektrisch durch Magdeburg

„Vorsicht! Mit Electrizität, die Sache jetzt von statten geht.“ Bei dieser zeitgenössischen Karikatur handelt es sich hierbei offensichtlich um eine sog. Ersttags-Postkarte, die zur Eröffnung des elektrischen Straßenbahnbetriebes in Magdeburg am 17. Juli 1899 herausgegeben wurde, da von dieser Vorlage etliche verschiedene Kopien mit unterschiedlichen Poststempeln und unterschiedlichen persönlichen Handeintragungen der jeweiligen Absender überliefert sind. Dieser Umstand kann auch aus dem vorgedruckten Eintrag „Magdeburg, den …“ oben rechts abgeleitet werden, wo der Absender dann jeweils ein individuelles Datum von Hand eintragen konnte. Die sehr detaillierte und originalgetreue Darstellung von dem offenen Triebwagen Nr. 13 sowie einem angehängten Sommerbeiwagen aus dem Bestand der ehemaligen Pferdebahnen lässt darauf schließen, dass dem Zeichner für diese Karikatur offensichtlich bereits zuvor eine entsprechende Bildvorlage von einer der ersten durchgeführten Probefahrten oder auch von einer öffentlichen Präsentation für geladene Gäste vorlag, da er sonst diesen Straßenbahnzug wohl eher nach seinen eigenen Phantasievorstellungen in Szene gesetzt hätte. Die Wagennummer als sprichwörtliche „wilde 13“ sowie die Dachbeschilderung mit „Herrenkrug-Westfriedhof“ waren hier offensichtlich der künstlerischen Freiheit des Zeichners geschuldet, zumal die Strecke zum Herrenkrug ursprünglich als allererste elektrisch in Betrieb gehen sollte, wogegen die ersten Probefahrten auf der Strecke zum Westfriedhof stattfanden. Die runden farbigen Signalscheiben zur Linienkennung über dem offenen Stehperron wurden offensichtlich bereits mit der Eröffnung des elektrischen Betriebes eingeführt, wie dies auch an Hand der Eröffnungsfotos vom 17. Juli 1899 deutlich zu erkennen ist, wobei jedoch die farbige Signalscheibe mit einem schwarzen Kreuz auf rotem Grund für die Linie Olvenstedter Straße – Großer Werder (später Linie 4) zur Anwendung kam, während für die Linie Westfriedhof – Friedrichstadt (Heumarkt / später Linie 3) ein weißes Kreuz auf grünem Grund verwendet wurde. An dieser Stelle zunächst ein besonderer Dank an Bertold Kulas, der diese historische Postkarte farblich nachbearbeitet und auch auf den stadtgeschichtlichen Seiten im Facebook geteilt hat.

Erste Vorstöße zum Bau elektrischer Straßenbahnen in Magdeburg gab es bereits 1881/82 u. a. durch die Firma Siemens & Halske, die bekanntlich am 16. Mai 1881 in Groß-Lichterfelde bei Berlin die erste elektrische Straßenbahn der Welt eröffnet hatte, wobei man jedoch einem solchen Ansinnen in Magdeburg zunächst sehr skeptisch gegenüber stand. So sollten noch volle 18 Jahre vergehen, bis schließlich die Union-Elektrizitäts-Gesellschaft (UEG / später AEG) im Jahr 1899 das Gesamtnetz vollumfänglich elektrifizierte. Nahezu zeitgleich war es zuvor zur Vereinigung der beiden vormals getrennten Pferdebahngesellschaften Magdeburger Straßen-Eisenbahngesellschaft (MSEG) und Magdeburger Trambahn AG gekommen, wobei letztere auch die bekannte Dampfstraßenbahn zum Herrenkrug betrieb.

Nach der Aufnahme des planmäßigen elektrischen Betriebes auf den beiden v. g. West-Ost-Linien zwischen Stadtfeld (Wilhelmstadt) und Werder / Friedrichstadt am 18. bzw. 27. Juli 1899 ging bereits am 15. September 1899 auch die wichtige Süd-Nord-Linie Sudenburg – Neue Neustadt elektrisch in Betrieb, wobei die Wagen allerdings zunächst noch nicht über den Breiten Weg, sondern stattdessen über die heutige Otto-von-Guericke- und Erzbergerstraße verkehrten. Auch war hier zeitgleich für einen längeren Zeitraum der durchgehende Betrieb bis zur Neuen Neustadt an der Bahnkreuzung Neustädter Bahnhof unterbrochen worden, um hier Baufreiheit für die neu zu errichtenden Eisenbahnbrücken zu schaffen. So mussten die Fahrgäste die dortige Bahnlinie über eine provisorische Holzbrücke überqueren und in Höhe der Laaßstraße in einen Pendelwagen in Richtung Kastanienstraße umsteigen, der jedoch von Anfang an elektrisch fuhr.

Innerhalb von nur fünf Monaten (!) war das gesamte Streckennetz bereits am 23. Dezember 1899 (also einen Tag vor dem Heiligen Abend) komplett elektrisch befahrbar. Dies betraf auch die neu eröffnete westliche Teilringlinie von der heutigen Festung Mark über den heutigen Universitätsplatz und den Hauptbahnhof bis zum Hasselbachplatz sowie die Herrenkruglinie, die bereits am 20. Oktober 1899 landespolizeilich für den elektrischen Straßenbahnbetrieb abgenommen worden war, verbunden mit entsprechenden Probefahrten.

Warum auf dieser Linie der planmäßige elektrische Betrieb jedoch erst volle fünf Monate später am 22. März 1900 aufgenommen wurde, entzieht sich an dieser Stelle leider unserer Kenntnis. Dies war möglicherweise der Tatsache geschuldet, dass man zunächst alle innerstädtischen Strecken bis zum Jahresende vollumfänglich elektrisch in Betrieb nehmen wollte, wobei die Herrenkruglinie im Winterhalbjahr vergleichsweise nur sehr schwach frequentiert war. Auch standen dem Betrieb zunächst nur 112 elektrische Motorwagen sowie 50 Anhängewagen aus dem Bestand der bisherigen Pferde- und Dampfbahnen zu Verfügung, wobei die Statistik bereits Ende 1900 insgesamt 130 Motorwagen sowie 126 Anhängewagen verzeichnet.

Einsatze mit Anhängewagen aus dem Bestand der ehemaligen Pferdebahnen gab es erstmals bereits am 15. September 1899 auf den West-Ost-Linien, wie hier an der ehemaligen Hauptfeuerwache mit dem Beiwagen ex MSEG-Pferdebahn Nr. 17 (hier noch unter seiner ursprünglichen Betriebsnummer / Foto Sammlung Andreas Gürtler). Bereits am 24. September 1899 kam erstmals auch ein vierachsiger Maximumtriebwagen auf der Linie Sudenburg – Neue Neustadt zum Einsatz. -Christoph-

25 Jahre gemeinsam mit den Eisenbahnfreunden

Kinder wie die Zeit vergeht. In diesem Sommer ist es bereits 25 Jahre her, als wir als Magdeburger Straßenbahnverein im Jahr 1999 nach Kündigung unserer bisherigen Räumlichkeiten im Depot Sudenburg zunächst als „Untermieter“ bei den Magdeburger Eisenbahnfreunden im Wissenschaftshafen einziehen durften. Neben vielen anderen Utensilien durfte dabei auch unsere damals noch weitgehend im Aufbau befindliche Modellstraßenbahnanlage in die dortigen Kellerräume mit umziehen, welche leider nach dem verheerenden Jahrhunderthochwasser im Juni 2013 für unsere beiden Vereine nicht mehr länger nutzbar waren. Nach einem Zwischenstopp in der Flechtinger Straße ging es dann weiter in unsere heutigen Räumlichkeiten in der Walbecker Straße – natürlich inzwischen längst gemeinsam mit den Magdeburger Eisenbahnfreunden, wo wir unter befreundeten Vereinen in diesem Jahr gewissermaßen „Silberhochzeit“ feiern dürfen. Gemeinsamkeit macht bekanntlich stark und da darf man durchaus auch einmal Dankeschön für eine wunderschöne gemeinsame Zeit sagen. (CR)

Hauptwerkstatt Herrenkrugstraße / Neues von den MVB

Wie bereits berichtet, werden die Internet-Seiten von „Tram-Info“ seit Dezember 2023 nicht mehr gepflegt und fortgeschrieben, so dass uns aktuell auch keine genauen Daten zu den zwischenzeitlich abgestellten bzw. zu den in der Instandhaltung befindlichen Fahrzeugen vorliegen. Nach erfolgter Inspektion mit Neulack konnte zuletzt NGT8D Nr. 1350 wieder im Einsatz beobachtet werden. NGT8D Nr. 1335 war nach erfolgter Inspektion nur kurze Zeit in den neuen Produktfarben „weiß-grün“ unterwegs und erhielt inzwischen eine Vollwerbung für einen lokalen Radiosender in der Farbe „rot“. Die Fahrzeugsituation bleibt lt. „Volksstimme“ vom 04.06.2024 weiterhin angespannt, wobei die aktuellen Probleme mit Fahrtausfällen und Verspätungen wohl noch bis zum Jahresende andauern dürften, da Bahnen wegen Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten teilweise über Monate nicht zur Verfügung stehen. Wie Beigeordneter Jörg Rehbaum jüngst im örtlichen Bauausschuss (StBV) erklärte, seien davon auch mehrere Tatrabahnen betroffen. Auch drei Unfallstraßenbahnen wurden in diesem Zusammenhang genannt. (CR)

Terminvorschau 2024

Unsere aktuell geplanten Termine und Ausstellungen für das Jahr 2024 finden Sie in unserer Terminvorschau.


Das Infoblatt erscheint im Auftrag des Vorstandes der Magdeburger Straßenbahnfreunde e. V.

Textbeiträge / Druck und Gestaltung: C. Rudhard (CR), J. Puchert (JP), M. Menz (MM).