Von Marc Beindorf
Die beiden Privat-Module „Eierkuchen“ – der Begriff bezeichnete zu DDR-Zeiten die dem Uhrzeigersinn entgegen gesetzte Rundfahrt-Möglichkeit um das Carré aus Alexanderstraße, Zielitzer Straße, Kastanienstraße und Lübecker Straße – und Betriebshof Neue Neustadt, entstanden nach einer Idee einer zufällig auf einem Datenträger entdeckten Zeichnung.
Michael Menz spielte aber schon lange mit der Idee beides Umzusetzen, jedoch fehlte es immer am notwendigen Funken mit dem doch recht schwierigen Projekt anzufangen. Der Funken fand sich im „Knoff Hoff“ von Torsten Ehrhardt von den Magdeburger Eisenbahnfreunden, der uns auch auf der Vereinsanlage sehr oft beim Umsetzen von schwierigen Bauprojekten unterstützt. Hier war seine Hilfe speziell beim Weichenbau und beim Bau der Betriebshof-Gebäude gefragt.
Also wurden nach der schon erwähnten Zeichnung zwei Grundplatten in den Vereinsmodulmaßen von 1800 x 1200mm gebaut, denn die Anlage sollte auf jeden Fall mit der Vereinsanlage kombinierbar sein, und kurz entschlossen begann der Bau.
Mit herkömmlichen gekürzten Weichen, war jedoch dieses Projekt nicht zu schultern. Kurzum wurden auf diesen Anlagenteilen alle Weichen komplett selbst gebaut und dabei handelt es sich nicht nur um einfache Weichen und Bogenkreuzungen, sondern in den Einfahrbereichen der Hallen finden sich auch Dreiwegweichen (siehe Bilder). Besonders herausfordernd war dabei die Einfahrt zur kleinen Halle in der Zielitzer Straße, ist doch die dortige Dreiwegweiche zudem beim Vorbild auch noch eine Bogenweiche gewesen, die auch im Modell vorbildgetreu umgesetzt werden sollte. Das ganze Projekt war zudem sehr schwierig, weil der Betriebshof Neue Neustadt schon 1976 außer Betrieb gesetzt und kurzerhand zur nördlichen Einsatzstelle des Busbereichs der MVB wurde. Straßenbahnen hat der „Hof“ danach allenfalls noch durch eine Restnutzung als Sitz der Abteilung Fahrschule und der Radsatzdrehmaschine des Verkehrsbereichs „Strab“ gesehen. Die Vor-Ort-Recherche konnte also nur auf Reste des ehemaligen Depots beschränkt werden, denn inzwischen war der 1993 endgültig aufgegebene Betriebshof z.T. erheblich umgebaut oder abgerissen.
Also war allererste Aufgabe für das Erbauer-Team das Archiv des Vereins nach Aufnahmen vor dem Jahr 1976 zu durchforsten, galt es doch nicht nur die Verkehrsbauten vorbildgerecht umzusetzen, sondern auch die allgemeinen Gebäude der Umgebung in ihrem damaligen Zustand zu bauen. Eine weitere Herausforderung war die Schiebebühne, die die nur von der Lübecker Straße zu befahrene große Halle mit der kleinen, nur von der Zielitzer Straße erreichbaren Halle miteinander verband und zudem der Erreichbarkeit der Wagenabstellschuppen unterhalb des Sozialgebäudes (übrigens die ehemaligen Pferdeställe) und des Werkstattgebäudes neben der großen Halle diente.
Inzwischen ist die große Mehrheit der Gebäude des eigentlichen Betriebshofes fertig und auch die Schiebebühne funktioniert nach anfänglichen Schwierigkeiten mit dem Antrieb recht zufriedenstellend. Allerdings muß man sagen, daß das Rangieren über die Schiebebühne nur mit Solowagen wirklich reibungslos funktioniert, weshalb zumeist beim Anlagenbetrieb mit der Vereinsanlage auf eine entsprechende Vorführung verzichtet wird.
Der „Eierkuchen“ selbst enthielt gleisbautechnisch auch einige Herausforderungen, mußte er doch so gebaut werden, daß alle Zufahrten möglichst auf das vorgesehene, separate Anlagenteil paßten. Dazu war es leider nötig, fallweise den kleinsten befahrbaren Halbmesser nach Vereinsvorgabe von 225mm leicht zu unterschreiten. Gott sei Dank nehmen das nur einige wenige Fahrzeuge wirklich übel. Eine Spezialität der Magdeburger Straßenbahn findet sich an der Kreuzung Kastanien- Ecke Zielitzer Straße, befahren die Fahrzeuge doch hier eine „verkehrte Weiche“. Um in die Kastanienstraße nach rechts in Richtung Zoo – Neue Neustadt einfahren zu können, mußten sich hier beide Ausfahrbögen kreuzen. Dementsprechend mußte die Weiche um nach rechts abzubiegen auf links abbiegen gestellt werden – deshalb verkehrte Weiche.
Aber keine Angst, verkehrt stellen klappte beim Vorbild seltener, als es bei uns dank vereinfachter Gleisbild-Stellpulte passiert. Die gleiche Konstruktion kann man heute noch ca. einen Kilometer entfernt an der Ausfahrt aus Endhaltestelle Neue Neustadt in Robert-Meier-Straße an der Curie-Siedlung betrachten.
In seltenen Fällen werden hierhin Züge umgeleitete, die aus der Robert-Meier-Straße in die Pettenkofer Straße bzw. den Schöppensteg abbiegen. Augenfälliges Detail des Anlagenteils „Eierkuchen“ ist nach bisherigen Ausstellungserfahrungen die an Stelle der in den 70er Jahren dort errichteten Einheitskaufhalle an der Lübecker Straße Ecke Alexanderstraße verbaute Ziehharmonika-Kaufhalle.
Die Erbauer hatten sich entschieden, mal ein Experiment zu wagen und eine nicht ganz vorbildgerechte Situation mit diesem berühmten Kaufhallen-Modell der 60er Jahre zu wagen. Wer erinnert sich nicht an die letzte Kaufhalle dieser Art am ehemaligen Otto-Lehmann-Platz in Fermersleben. Dort konnte man sich mal darüber ärgern, dass es entweder keine Milch oder keine Brötchen oder einfach mal nichts gab. Oder man beschäftigt sich mit dem kleveren Aufbau dieses System-Baus.
Übrigens muß an dieser Stelle noch erwähnt werden, daß Betriebshof und Straßen beider Anlagenteile komplett beleuchtet sind, was ja aus Kostengründen auf unseren Vereinsanlagenteilen eher selten der Fall ist.
Technisch ist weiterhin zu erwähnen, daß alle Weichenantriebe aus dem Sortiment der Firma Conrad stammen. Diese Antriebe haben sich inzwischen bewährt (auch wegen eines guten Preis-/Leistungs-Verhältnisses). Beide Anlagenteile werden stets zusammen gezeigt und können so über ein gemeinsames Stellpult gesteuert werden. Durch eine eigene Stromversorgung sind die Anlagenteile auch separat zu betreiben – bei privaten Anlagenteilen eine unbedingte Voraussetzung.
Infos zum Vorbild:
Betriebshof Neue Neustadt
- eröffnet 1877 durch die Pferdebahn der Magdeburg-Straßen-Eisenbahn-Gesellschaft
- 1899 Umbau für den elektrischen Betrieb
- 1921 Erweiterung um die kleine Halle an der Zielitzer Straße
- 05. August 1944 beim Luftangriff auf Neue Neustadt und BRABAG schwer zerstört
- bis 1948 Wiederaufbau der zerstörten kleinen Halle
- 1976 Stillegung als Straßenbahn-Betriebshof (Ersatz durch Betriebshof Nord)
- 1993 endgültige Stillegung und Verkauf des zuletzt von V-KOM genutzten Hofs und Neubau der Radsatz-Drehmaschine im Btf. Sudenburg
„Eierkuchen“
- ab 1877 fährt die Pferdebahn nach Neue Neustadt, beide Linien (nach Buckau und Sudenburg) enden am Depot Neue Neustadt
- am 15.09.1899 wird die Linie Sudenburg – Neue Neustadt elektrisch betrieben, am 20.12.1899 folgt auch die Linie Buckau – Neue Neustadt
- mit der Einführung von Liniennummern 1905 verkehren die Linie 1 und 2 nach Neue Neustadt
- 1918 Bau einer Wendeschleife in Neue Neustadt durch Kriegsgefangene
- 1923 nach Neue Neustadt verkehren die Linien 1 (Sudenburg) und 10 (Rotehorn), die 2 wird bis Staatsbürgerplatz verkürzt
- 1940 Verlängerung der Linie 1 von Neue Neustadt (Kastanienstraße) zur Bank’schen Siedlung (heute Curie-Siedlung, Robert-Meier-Straße), der „Eierkuchen“ ist fertig
- 975 Bau des Richtungsgleises nach Zoo-Neue Neustadt über eine Grünanlage neben der Alexanderstraße, die Zielitzer Straße wird nur noch zum Wenden befahren.
- 1995 Umbau der Kastanienstraße – an der Ecke Lübecker Straße entsteht ein zweigleisiges Gleisdreieck, die richtungsabhängige Gleisführung unter Einbindung der Alexanderstraße und die Wendemöglichkeit über Zielitzer Straße entfällt (der „Eierkuchen“ ist damit Geschichte). Die bisher auseinander gezogenen Haltestellen werden zu einer behindergerechten Kombi-Haltestelle Straßenbahn/Bus zwischen Haldensleber und Alexanderstraße zusammengezogen.