Infoblatt 06/2025

Mülheim an der Ruhr: Eine Straßenbahnwelt erwacht
Kürzlich hatte es unseren langjährigen Magdeburger Fahrschulwagen Nr. 708 (und heutigen Museumstriebwagen Nr. 138) wieder einmal in den beliebten Herrenkrug verschlagen, wenn auch nur im Modellmaßstab von 1:87 aus unserer Kleinserienfertigung, dafür aber transportabel und somit auch reisefähig für Ausstellungen außerhalb von Magdeburg, wie zuletzt auch zur „Kleinen Bahn ganz groß“ am 31. Mai und 01. Juni 2025 in Mülheim an der Ruhr. Für dieses schöne Titelfoto zunächst ein herzliches Dankeschön an Jürgen für die schnelle Übermittlung. Auch das historische Vorbild dieses Wagens soll uns an dieser Stelle in einem aktuellen Parallelbeitrag begleiten, wobei wir die Uhren der Zeit auch noch einmal um 100 Jahre zurück drehen wollen. Aber verbleiben wir zunächst einmal im Jetzt:
Sowohl die Tagungen der Arbeitsgemeinschaft Historischer Nahverkehr (AHN), als auch die „Kleine Bahn ganz groß“ (KBGG) sind inzwischen bereits seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil im jährlichen Terminkalender zahlreicher Straßenbahnenthusiasten in ganz Deutschland und auch im benachbarten Europa. Auch wenn es dafür keinen speziellen Dachverband gibt, so sind wir jedoch alle sehr engmaschig miteinander vernetzt und pflegen auch außerhalb dieser jährlichen Eventveranstaltungen einen regelmäßigen Gedankenaustausch sowie darüber hinaus auch viele persönliche Kontakte. Ferner ist es inzwischen auch zu einer langjährigen Tradition geworden, dass jeweils am Ende dieser jährlichen Treffen, die in der Regel aktive Teilnehmerzahlen im unteren dreistelligen Bereich erreichen, der Staffelstab bzw. die symbolische Glocke dann an den Ausrichter der nächstfolgenden Jahresveranstaltung weitergereicht wird. Dabei werden dann auch schon die entsprechenden Bewerbungen für die Folgejahre entgegen genommen. Auch das „Straßenbahn-Magazin“ hatte zuletzt in seinen Ausgaben 03/2025 und 06/2025 ausführlich über die Geschichte der KBGG sowie auch über die sog. „Alte Dreherei“ als Haus der Vereine in Mülheim an der Ruhr berichtet.
Dass jedoch sowohl die jährliche AHN-Tagung, als auch die jährliche KBGG innerhalb von nur fünf Wochen am gleichen Austragungsort stattfinden, ein solches Novum gab es in dieser langjährigen Tradition bisher noch nie. Hier haben sowohl die „Alte Dreherei“ in Mülheim an der Ruhr als neues Kulturzentrum, als auch die Verkehrshistorische Arbeitsgemeinschaft der Essener Verkehrs-AG den mutigen Schritt in ein völliges Neuland gewagt. Auch wir sind hier als Magdeburger Straßenbahnfreunde e. V. keineswegs „heurige Hasen“, hatten wir doch bereits 1999 schon einmal die jährliche AHN-Tagung und 2023 dann auch die KBGG im benachbarten Halberstadt ausgerichtet, so dass wir auch aus eigener Erfahrung sehr wohl wissen, was für ein gewaltiger Kraftakt dabei auch schon lange im Vorfeld und schließlich auch in der unmittelbaren Vorbereitung und Durchführung damit verbunden ist.
Auch ist es sicherlich nicht alltäglich, wenn engagierte Verkehrsfreunde zwei bereits seit dem Jahr 1959 (!) leer stehende und zunehmend dem Verfall preis gegebene Werkstatthallen (ursprünglich eine Dreherei und eine Lokrichthalle) von einem ehemaligen Eisenbahn-Ausbesserungswerk der Gründerzeit auf Umwegen erwerben, um dort ein regionales Straßenbahnmuseum zu schaffen, verbunden mit einem eigenen Gleisanschluss an das bestehende Streckennetz der örtlichen Straßenbahnbetriebe. Ohne Frage gibt es vergleichbare museale Einrichtungen, die auch einen regelmäßigen historischen Straßenbahnbetrieb anbieten, u. a. auch bereits in Hannover-Sehnde, in Wuppertal-Kohlfurt, am Schönberger Strand bei Kiel, oder auch im dänischen Skjoldenæsholm. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass diese Projekte bereits zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt in Angriff genommen worden sind, wo auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dafür noch weitaus günstiger waren, als heute. Auch gehört der oftmals etwas belächelte „olle Ruhrpott“ nicht unbedingt zu den wirtschaftlich stärksten Regionen im heutigen Deutschland. Erste Vorstöße zur Übernahme dieser Immobilie, verbunden mit entsprechendenSanierungen, gab es hier bereits 2007, die jedoch zunächst nicht von Erfolg gekrönt waren. Erst zehn Jahre später, im Jahr 2017, nahm dieses Projekt dann zunehmend an Fahrt auf, wobei (gefühlt) eine ganze Region mit Hand anlegte, um das schier Unmögliche wahr zu machen.
Am 18. Dez. 2024 erreichte erstmals ein historischer Straßenbahnwagen mit eigener Kraft die Alte Dreherei. Eine neue Straßenbahnwelt war erwacht. Mehr dazu demnächst. -Christoph-
Vor 100 Jahren: Neue Farben für unsere Straßenbahn
Bereits in unserer letzten Ausgabe hatten wir ausführlich über den sog. „Aufbruch in die Moderne“ berichtet, der bereits ab dem Jahr 1925 vor nunmehr 100 Jahren auch die Magdeburger Straßenbahn aktiv begleiten und zunehmend prägen sollte. Dabei leiteten gleich 20 in Dessau umfassend modernisierte ursprünglich vierachsige Maximumtriebwagen mit den Betriebsnummern 101 bis 120 sowie 30 in Düsseldorf und Dessau gebaute Neubautriebwagen mit den Betriebsnummern 143 bis 172 die umfassende Modernisierung und Erneuerung des gesamten Wagenparks ein. Bereits vier Jahre später, im Jahr 1929, gab es im aktiven Leistungspark nur noch insgesamt 16 offene zweiachsige Triebwagen aus der Anfangsserie des elektrischen Betriebes von 1899/1900, die ursprünglich lt. vorliegenden Unterlagen auch noch in Dessau umgebaut werden sollten, was jedoch letztendlich unterblieb, so dass diese Wagen 1929 in eine sog. Sonderreserve überführt wurden, die als solche noch bis ca. 1934 bestand.
Alle anderen Triebwagen waren dabei inzwischen neueren Datums und verfügten auch bereits über allseitig geschlossene Stehperrons sowie über neuzeitliche starre zweiachsige Fahrgestelle und auch über zeitgemäße elektrische Ausrüstungen. Auch bei den Beiwagen bot sich inzwischen ein vergleichbares Bild.
Das Jahr 1925 bescherte unserer Straßenbahn zugleich ein neues Farbschema in der Grundfarbe „elfenbein“ mit grünen Zierlinien und Beschriftungen, wie es noch bis weit in die 1990er Jahre hinein in Magdeburg Bestand haben sollte. Die 30 in Düsseldorf und Dessau gefertigten Neubautriebwagen kamen bereits werksseitig in dieser neuen Lackierung in Magdeburg an, während die in Dessau umgebauten ehemaligen Maximumtriebwagen zunächst noch die sog. „Taut“-Lackierung in den Produktfarben „grün-rot“ erhielten, die der bekannte Stadtbaurat Bruno Taut erst im Jahr 1922 in der Elbestadt eingeführt hatte, um somit die bisherigen Unternehmensfarben „grün-gelb“ durch die angestammtenMagdeburger Stadtfarben zu ersetzen.
Bereits ca. 1926 erhielt auch unser heutiger Museumstriebwagen Nr 138 als einer der ersten Altbaufahrzeuge dieses neue Farbschema und präsentierte sich hier in der neuen Buckauer Wagenhalle, die gleichsam ein typisches Zeugnis des sog. „Neuen Bauens“ war. Dieses bekannte Foto von dem damaligen Pressefotografen Hatzold erschien erstmals auch in dem sog. DARI-Buch von 1927, einem mehrere hundert Seiten umfassenden Kultur- und Wirtschaftsalmanach der Stadt Magdeburg, das der damalige Deutsche Architekten- und Ingenieurverlag (DARI) anläßlich der Deutschen Theaterausstellung von 1927 heraus gegeben hatte. Auch hier schließt sich für uns wieder einmal der Kreis bis in unsere heutigen Tage. Wie durch ein Wunder, aber durch sehr viel Herz und Leidenschaft engagierter Straßenbahnfreunde, blieb auch dieser wunderschöne Wagen aus dieser Zeitepoche der Nachwelt bis heute erhalten. (CR)
Neues von den MVB
Nach Abschluss der planmäßigen HU (Inspektion) wurde zuletzt (und bereits im Mai 2025) NGT8D Nr. 1346 aus der zweiten Lieferserie wieder im Einsatz beobachtet. In der letzten Aprilwoche 2025 kam es zu einer kurzfristigen Stilllegung aller insgesamt sechs noch im Einsatzbestand befindlichen ex Berliner KT4D, nachdem die Wagen Nr. 1287 und 1290 bereits schon seit etlichen Monaten abgestellt sind. Auslöser für diese Entscheidung waren akute Bremsprobleme, wobei inzwischen jedoch die Wagen Nr.1291 bis 1293 wieder im Einsatz sind – und dabei aktuell vordergründig auf der verkürzten Linie 6 zwischen Herrenkrug und Hauptbahnhof. Auch bei den sog. “Gigalinern“ (NGT8D+B6A2MOD ex Berlin) machen sich inzwischen zunehmend Alters- und Verschleißerscheinungen bemerkbar, wobei etwa die Hälfte der insgesamt elf Beiwagen inzwischen vorwiegend wegen abgefahrenen Radreifen abgestellt werden musste und wofür kaum noch ein entsprechender Ersatz lieferbar ist. Umso mehr hofft man jetzt in Anbetracht der weiterhin extrem angespannten Fahrzeugverfügbarkeit endlich auf den ersten planmäßigen Einsatz der neuen „Flexity“-Bahnen, wobei NGT10D Nr. 1401 im Monat Mai bereits regelmäßig auch tagsüber im gesamten Streckennetz zu Erprobungs- und Messfahrten beobachtet werden konnte. Mit Redaktionsschluss dieser Ausgabe stand die Erteilung der erforderlichen Betriebserlaubnis durch die Technische Audsichtsbehöre (TAB) bereits unmittelbar bevor bzw. ist inzwischen möglicherweise auch schon erfolgt. Dies ist Grundvoraussetzung, um jetzt auch mit den planmäßigen Personaleinweisungsfahrten zügig beginnen zu können.

Vielmehr Sorgen bereitet zur Zeit der Zustand zahlreicher Brücken im gesamten Stadtgebiet, wobei bereits die Fußgängerbrücke am Petriförder am 15. Mai 2025 ersatzlos abgerissen werden musste, so dass jetzt auch die direkte und barrierefreie Wegebeziehung von den MVB-Haltestellen in der Jakobstraße bis zum Schiffsanleger der „Weißen Flotte“, der gleichsam mit dem zugehörigen Mehrzweckgebäude inkl. einer Gaststätte dem Unternehmen MVB gehört, nicht mehr gegeben ist. Dies bedeutetextrem lange Umwege für Fuß- und Spaziergänger, für Erholungssuchende, aber auch für potentielle Fahrgäste der MVB. Am Damaschkeplatz soll der verordnete Notabriss der Ringbrücke am 10. Juni 2025 beginnen, wobei Straßenbahnen frühestens nach Errichtung einer geplanten Behelfsbrücke ab dem Ende der großen Schulferien dort wieder verkehren können. Ferner musste auch der Straßenbahnverkehr im Bereich der Halleschen Straße vom 02. bis 20. Juni 2025 erneut wegen Brückenbauarbeiten der Deutschen Bahn unterbrochen werden, so dass aktuell kaum noch eine Straßenbahnlinie planmäßig verkehren kann. Auch hinter der Zukunft der Ringbrücke Halberstädter Straße steht aktuell ein großes Fragezeichen, da die Ergebnisse der dortigen Brückenprüfungen zurzeit noch ausstehen. (CR)
Terminvorschau 2025
Unsere aktuell geplanten Termine und Ausstellungen für das Jahr 2025 finden Sie in unserer Terminvorschau.
Das Infoblatt erscheint im Auftrag des Vorstandes der Magdeburger Straßenbahnfreunde e. V.
Textbeiträge / Druck und Gestaltung: C. Rudhard (CR), M. Menz (MM).